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| Meine Mutter ist nun im Pflegeheim | |
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Diomera Neu im Forum
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| Thema: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Mi 09 Sep 2009, 13:21 © Diomera | |
| Ihr Lieben,
ich hab´s nicht geschafft. Die Pflege meiner Mutter zu Hause war nicht mehr machbar. Obwohl wir Tür an Tür mit meiner Mutter leben, konnten wir die Pflege nicht mehr leisten. Ich bin voll berufstätig und wir sind auf mein Einkommen angewiesen. Mein Mann, der selber sehr schwer krank ist (Diabetes, Cavernom im Gehirn, Herzbypässe, Chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung…) hat die Pflege meiner Mutter übernommen und das hat auch ein halbes Jahr geklappt. (Mit Hilfe der Sozialstation – Pflegestufe 1)
Ich hatte im Juli schon mal meine Situation beschrieben. Seit dem hat sich der Zustand meiner Mutter dramatisch verschlechtert. Wegen ihres schlimmen Fußes konnte sie in den letzten Wochen keinen Schritt mehr selbständig gehen. Mein Mann musste sie im Rollstuhl vom Wohnzimmer zur Toilette fahren und auf die Schüssel heben (meine Mutter wiegt über 10 kg mehr als mein Mann). Ich habe ihn dann ab 18 Uhr abgelöst, Abendessen gemacht, Mutter beim Essen geholfen, gewickelt und sie dann ins Bett gebracht. Dann kam jeden Abend Unmengen Wäsche, Bettwäsche, Aufräumen, Putzen… Zum Glück habe ich in der Arbeit keine Probleme bekommen, obwohl ich als einzige keine Überstunden machen konnte. Aber meinen Kollegen ist meine Situation bekannt.
Mutter hat fast jede Nacht ihren Verband abgewickelt, was natürlich zur Katastrophe führte. Ende August waren plötzlich Maden im Fuß. Da war selbst der Hausarzt überfordert. Der Fuß schaut auch wirklich ganz schlimm aus. Die große Zehe ist mittlerweile abgefallen die zweite Zehe ist auch nur noch eine undefinierbare Substanz. Jetzt fängt der andere Fuß auch an. Der Hausarzt hat Mutter sofort ins Krankenhaus überwiesen. Dort wurde inzwischen zum wiederholten Mal über eine Amputation nachgedacht. Der Chefarzt hat uns dann überzeugt, dass eine Amputation meiner Mutter keine zusätzliche Lebensqualität bringen würde. Sie würde vergessen, dass sie nur noch einen Fuß hat und aus dem Rollstuhl kippen – falls sie die OP überleben würde – mit ihrem schwachen Herzen. Im Krankenhaus hat meine Mutter uns fürchterlich beschimpft, dass wir schuld daran seien, dass sie im Krankenhaus ist. Wir hätten sie zuhause nichts mehr machen lassen. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass sie ihren Haushalt noch alleine bewältigen würde, dass sie mit dem Auto zum Einkaufen fahren könnte u.s.w. Tatsächlich war sie in den letzten Wochen kaum noch in der Lage gewesen, selbständig zu essen. Wir mussten uns neben sie setzen und helfen und sie immer wieder daran erinnern weiter zu essen und zu trinken. Sie hat sich auch in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr zurecht gefunden. Manchmal fragte sie, wann sie denn endlich wieder nach Hause käme. Wenn mein Mann mal für eine halbe Stunde in unsere Wohnung rüber ging (Blutzucker messen, selber was essen) hat sie ein paar Mal ihren Windelinhalt verteilt ist dann ausgerutscht und saß weinend in der Toilette auf dem Boden. Mein Mann bekam die Tür nicht auf und musste sich auf dem Bauch kriechend unter dem Waschbecken durchschlängeln, um ihr helfen zu können.
Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass meine Mutter in ein Pflegeheim muss. Wir haben uns gründlich umgesehen und tatsächlich eine relativ gute und finanzierbare Einrichtung gefunden. Dort ist sie nun seit erstem September. Wir besuchen sie täglich – mein Mann unter Tags, meine Tochter und ich nach der Arbeit. Ihr Zustand wechselt von schwersten Vorwürfen an uns zur absoluten Teilnahmslosigkeit. Als ich gestern zu ihr kam rief sie nur noch Hilfe Mama Hilfe. Den ganzen Abend lang. Unterbrochen vom Abendessen, das ihr recht gut geschmeckt hat. Solche „Anfälle“ hatte sie zu Hause aber auch schon – allerdings nicht so lange. Was ganz schlimm ist. Sie war im Krankenhaus die meiste Zeit fixiert – muss wohl auch mal aus dem Bett gefallen sein. Im Pflegeheim ist sie ständig unter Aufsicht im Wohnbereich. In ihrem Zimmer im Bett muss sie fixiert werden. Sie leidet fürchterlich darunter, aber ich habe natürlich mein Einverständnis gegeben. Die Pflegerin sagt, wenn sie meiner Mutter auf die Toilette hilft und eine Sekunde nicht aufpassen würde, würde sich Mutter einfach zu Boden fallen lassen.
Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich Mutter nun doch in ein Heim gegeben habe. Ich sehe aber keine Alternative. Mein Mann kriegt erst jetzt seine Blutzuckerwerte wieder halbwegs in den Griff. Ich fühl mich so schlecht…
Mein Verstand sagt mir, dass ich nicht anders konnte. Mein Bauch sagt was anderes…
Jetzt habe ich mich bei Euch mal wieder „ausgeheult“
Danke und Grüße
Diomera
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| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Mi 09 Sep 2009, 17:53 © sylvia | |
| Liebe Diomera, sei mal ganz lieb gedrückt. Du hast das einzig richtige getan, in eurer Situation. Mach Dir da keinen Kopf. Irgendwann hättest Du nicht mehr gekonnt und wärst umgekippt. Damit ist keinem gedient, hast ja auch Familie. Ich wünsche Dir viel Kraft und Stärke. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Gabika Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Mi 09 Sep 2009, 21:19 © Gabika | |
| Liebe Diomera! Wieder einmal ziehe ich den Hut vor so viel Engagement. Ihr habt es geschafft, Euch trotz aller Schwierigkeiten um Deine Mutter zu kümmern. Nach all dem, was Du schreibst, ist Deine Mutter jetzt allerdings, bei ihrem Gesundheitszustand, im Heim besser aufgehoben. Wenn Deine Mama Dir nun Vorwürfe macht, dann ist das nur ein Ausdruck von ihrer mangelnden Urteilsfähigkeit. Alles Gute! Gabika |
| | | Diomera Neu im Forum
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Do 10 Sep 2009, 12:44 © Diomera | |
| Hallo Ihr Lieben, vielen Dank für Euren Zuspruch. Ihr helft mir dabei, die Situation zu akzeptieren.
Als ich gestern bei Mutter war, hat sie sich total gefreut. Ihren Ausraster vom Vortag hatte sie schon wieder vergessen. Mein Mann und mein Sohn waren auch bei ihr. Wir sind dann zusammen mit ihr (im Rollstuhl) rausgegangen und haben die Sonne genossen.
Kennt ihr diese brutalen Wechsel auch? Einmal Vorwürfe - dann völlig weggetreten - am nächsten Tag wieder Freude über den Besuch.
Jedesmal wenn Mutter so weggetreten ist denke ich, dass sie mich bald gar nicht mehr wahrnehmen wird. Bisher ist aber immer wieder eine Besserung eingetreten.
Viele Grüße Diomera |
| | | Biggi Moderator
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| | | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Do 10 Sep 2009, 14:09 © sylvia | |
| Liebe Diomera, es hat halt auch Vorteile, die Demenz, sie vergessen schnell. Allerdings muß ich sagen, mein Papa war immer gut gelaunt - er fehlt mir sehr. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Lara Ist sich am Einleben
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Do 10 Sep 2009, 15:04 © Lara | |
| Hallo Diomera,
ich bin beeindruckt, von dem was Ihr geleistet habt, da wird gleich das eigene Problem viel kleiner. Denke aber Du hast richtig gehandelt, meine Mutter ist zur Tagesbetreuung in einem Pflegeheim und mir wird angst und bange wenn sie da einmal nicht mehr hin kann. Sollte es schlimmer kommen, werde ich wohl auch über einen kompletten Heimaufenthalt nachdenken müssen. Aber momentan lasse ich einfach alles auf mich zu kommen. Wünsche Dir, das jeder Besuch bei Deiner Mutter Dir zeigt,dass Du richtig gehandelt hast. Man darf auch die eigene Familie nicht venachlässigen und Dein Mann braucht Dich auch. lg Lara |
| | | Admin Administrator
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Do 10 Sep 2009, 16:09 © Admin | |
| Liebe Diomera
Du hast absolut das richtige getan. Wie ich schon öfters geschrieben hatte, so ist am Ende der Kraft, der fürsorglichste Gedanke für eine gute Lösung zu sorgen, bevor das nächste, eventuell noch grössere Problem eintreten kann.
Wem hilft es, wenn der Pflegealltag zur reinen "Überlebensübung" wird, wenn man so kraftlos ist, das man nur noch funktionieren kann? Wenn das zwischenmenschliche Geniessen, durch die Pflegeaufgaben zu ersticken droht? Auch unsere Dementen spühren das und leiden auf ihre Art darunter.
Jedes mal wenn ihr sie dort besucht, habt ihr nun die Möglichkeit ihr ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Das was für Demente so unsäglich wichtig ist.
Die wechselhaften Stimmungen sind wie Biggi geschrieben hat ganz normal. Auch wir haben sie oft erlebt und ebenfalls nicht selten von einer Sekunde zur anderen. Oft hatte ich mir ganze Nächte lang darüber den Kopf zerbrochen, wenn z.B Wut oder Traurigkeit bei Erik dominierte - und schon machten sich bei mir wieder Schuldgefühle breit. Jedes mal wenn ich ihn am nächsten Tag wieder besuchte, strahlte er mich an. Für ihn war es schon wieder vergessen - eben ein neuer Tag. Mit der Zeit hatte ich selber angefangen es mit Eriks Augen zu sehen. War er traurig hatte ich seine Traurigkeit geteilt, war er wütend so hatte ich seine Wut mit ihm geteilt und war er fröhlich, so hatte ich das aus ganzem Herzen genossen. War er abwesend, so sass ich neben ihm und habe seine Hand gehalten, oder über seine Wangen gestreichelt, oder meinen Kopf auf seine Schultern gelgt. Jeden Augenblick hatte ich zu 100% mit ihm geteilt und wenn es nicht etwas war, wo wirklich was unternommen werden musste, so hatte ich dies ebenfalls am Abend auf die Seite gelegt - morgen ist ein neuer Tag.
Eines Tages wird dich deine Mutter vielleicht wirklich nicht mehr kennen. Aber sie kann dich dennoch von Herz zu Herz spühren und eure gemeinsame Zeit auf ihre Art geniessen.
Ich wünsche dir noch viele Augenblicke die ihr gemeinsam geniessen könnt.
Sei ganz lieb Gegrüsst - mit einer Gewissheit das du, in eurer Situation das richtige getan hast. Zum Schutze für euch alle.
Ursula
Liebe Grüsse
"Trauer ist ein Teil des Lebens, aber sie darf nicht das ganze Leben werden." |
| | | maxmoritz Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Do 10 Sep 2009, 20:24 © maxmoritz | |
| Liebe Diomera, Auch och kann Dich nur bestärken in Dienem / Eurem Entschluß Sie in wissende Hände übergeben zu haben. Und ja, das schlechte Gewissen hört nie auf, es wird nur etwas leiser wenn Du siehst wieviel besser es Deinem Mann geht und das es diese schönen Momente mit ihr gibt. Es war richtig und auch gut das ihr Euch zu diesem Schritt entschieden habt. Nach Hilfe rufen bevor es zu spät ist ist die einzig richtige Entscheidung. Viel Kraft wünscht ich Euch allen. LG Moni |
| | | Diomera Neu im Forum
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Fr 11 Sep 2009, 12:28 © Diomera | |
| Hallo Zusammen, ganz vielen Dank für Euren Zuspruch. Vor allem von Dir Ursula und von Dir Sylvia habe ich gelernt, entspannt und auch fröhlich mit meiner Mutter umzugehen.
Die beiden letzten Tage haben mir gezeigt, dass es in Ordnung war meine Mutter in ein Pflegeheim zu geben. Wir konnten wieder gemeinsam lachen.
Liebe Grüße Diomera |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Meine Mutter ist nun im Pflegeheim Fr 11 Sep 2009, 14:13 © sylvia | |
| Liebe Diomera, das freut mich für Euch. Es ist doch der schönste Lohn. Alles alles Gute. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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