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 Offermans, Cyrille: Warum ich meine demente Mutter belüge

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Tinkerbell
Ist sich am Einleben
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Tinkerbell

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BeitragThema: Offermans, Cyrille: Warum ich meine demente Mutter belüge
Offermans, Cyrille: Warum ich meine demente Mutter belüge EmptyMi 28 Jan 2009, 23:53    © Tinkerbell
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Hallo an alle,

hier kommt noch eine Empfehlung von mir:


Cyrille Offermans
Warum ich meine demente Mutter belüge
Verlag Antje Kunstmann Gmbh, München, 2007
124 Seiten



Zum Inhalt


124 Seiten – nicht viel, eine kurze, kleine Erzählung, könnte man meinen. Es sind aber 124 Seiten, die es in sich haben.
Der Titel lässt einen zunächst stutzen: man sollte ja eigentlich eh nicht lügen, aber dann auch noch die eigene Mutter belügen – so geht das nicht! Wer aber Cyrille Offermans Bericht über seine immer verwirrter werdene Mutter verfolgt oder selbst schon einmal mit dementen Menschen zu tun hatte, weiß: es gibt Lügen und Lügen, und die letzteren sind manchmal unverzichtbar.
Zum Einen die kleinen Notlügen, nicht-ganz-Wahrheiten, mit denen man endlos-Fragen-Kreisläufe beendet, weil die korrekte Antwort einfach nicht mehr verstanden wird. Zum Anderen, wenn man der Mutter - die glaubt, sie lebt im Krieg, die Stadt wird belagert, sie selbst ist gefangengenommen und sehr erstaunt, dass es der Sohn hinter die feindlichen Linien bis zu ihr geschafft hat– erzählt, sie lebe doch in Friedenszeiten und man könne sich jederzeit ungehindert besuchen. Also, wenn das keine Lüge ist! Zumindest aus der Sicht der Mutter....

Offermans schildert distanziert-engagiert- persönlich die zunehmende Verwirrung seiner Mutter, den schleichenden Prozeß vom „normalen“ „wie heißt der doch noch gleich?“ bis zum beschriebenen Erleben einer nicht mehr realen Kriegszeit. Krieg ist schon, vor allem im Kopf der Betroffenen.

Schonungslos ernst und doch manchmal totenkomisch schildert Offermans den Alltag:gemeinsame Fernsehabende, bei denen zum Schluß keiner mehr weiß, worum es gerade im Film ging, Blumen gießen bis zum Exzeß, so dass selbst die Kakteen Gummistiefel brauchen, das Abenteuer des abendlichen ausziehens und für´s-Bett-fertig- machens. Alles wird zur Herausforderung, zur täglichen Groteske, Slapstick, wie es der Autor benennt.

Die Belastungen für die Familie, die eigene Ehe, auf der anderen Seite die Hilflosigkeit der Mutter, die die Welt nicht mehr versteht, nicht mehr weiß, was man denn eigentlich von ihr will, die ihre Hilflosigkeit wahrnimmt und zu kaschieren versucht. Einerseits schwierigste Kreuzworträtsel, die die Mutter bis zum Schluß tadellos – quasi abrufbar - lösen kann, andererseits ein Unvermögen, beispielsweise eine Filmszene zu erfassen oder die Kleidung richtig herum anzuziehen.

Offermans beschreibt das Misstrauen, dass manche dementen Menschen ihrer Umwelt gegenüber entwickeln: beispielsweise das religiöse Fleischverbot am Freitag, die permanente Frage nach dem heutigen Wochentag – „ist heute wirklich nicht Freitag?“ – „nein, heute ist Montag“ –„nein, die belügen mich, heute ist sicher Freitag, die wollen mich zum Fleischessen verführen, obwohl es heute verboten ist“. Ein Misstrauen, dass zu Aggressionen führen kann, sich steigert kann im Laufe der Zeit, auf beiden Seiten.

Letztlich wird der Heimaufenthalt unvermeidlich – eine schwere Entscheidung, die zwar Entlastung und Erleichterung bringt, gleichzeitig aber immer auch einen Beigeschmack von Verrat an der Mutter bzw. des jeweiligen Angehörigen hat; man macht es sich ja nur leicht, will keine Verantwortung mehr haben, will endlich wieder Ruhe im eigenen Leben.
Nein, Ruhe vermittelt eine solche Entscheidung auch nicht wirklich; auch das bringt Offermans rüber.



Meine Bewertung:


Das Buch steht für sich.
Es zeigt einmal mehr die vielen Spielarten der Demenz, wie sie die Menschen verändert, Eigenschaften (sowohl die guten, als eben auch die schlechten) verstärken kann, wie sie das Leben zum Chaos, „Kriegszustand“ macht.
Cyrille Offermans, ein niederländischer Essayist, beschreibt stilvoll sowohl die Probleme der Angehörigen, als auch die Lage der Mutter, in die er sich sehr einfühlsam hineinbegibt. Eine Mutter, deren Welt immer begrenzter wird, für die das Leben immer unverständlicher wird und schließlich im Chaos des „Krieges im Kopf“ versinkt.



Viele Grüße









Sylvia aus Remscheid
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