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| Ich entscheide, nicht das Heim | |
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Ann Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 09 Jul 2018, 06:50 © Aggi | |
| - Ann schrieb:
- das nenne ich mal einen gelungenen Geburtstag!
Ich freue mich sehr für euch! Danke, liebe Ann! LG, Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180708 Sonntagmorgen: Während ich mir hier um kurz vor halb zwölf mein Laptop auf den Schoß packe, um diesen Tagebucheintrag zu schreiben, denk ich: Sogar die Tischuntersetzer hab ich Mutti damals neu gekauft. Wieso hat das ausser mir nie einen von den andern gestört, dass die alten schon so schäbig waren? – Grad war ich nochmal im Heimatort, wenigstens einen neuen Schlüssel in die kaputte Aussentür mitbringen, damit man die wenigstens wieder abschliessen kann. Da entdeckte ich die Dinger auf der Suche nach Klebeband, um das Loch im Fenster nochmal abzukleben. Diese Untersetzer habe ich jetzt mitgenommen. Hab ich bezahlt, so! … Oder auch, weil ich so wehmütig wurde, als Mutti noch am Rollator gehen konnte haben wir oft an den Dingern zu zweit an ihrem Wohnzimmertisch gesessen und gegessen… Mal zurückgespult: Weil ich noch die Schlüsselkiste und Werkzeugkoffer suchen musste, war ich heute tatsächlich erst um acht am Heim. Mit Einkaufskorb, Nachschub für meine gute Seele Elisabeth und als hätte sie es wie immer im Urin, ruft sie mir im Flur hinterher. Freut sich und hat eine Nanosekunde später schon ihr Portemonnaie in der Hand! *gg* ( Ich hatte ausnahmsweise mal ausgelegt, kein Problem, waren hauptsächlich 2 Packungen Küchenrollen…). Aber so ist Elisabeth! ^^ Heute gut gelaunt. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer erzählt sie noch, dass Irmgard gestern schmollend auf ihrem Zimmer geblieben ist: „Aber es ist nicht meine Aufgabe, allen hinter her zu laufen. Ich bin doch nicht der Diener vom Dienst!“ Ich stimme grinsend zu. Es ist schön, wenn Elisabeth so gut gelaunt ist. Eher hat sie Sorge, ich hätte eines Tages „die Schnauze voll“, ihr noch zu helfen. Keine Sorge, Elisabeth, das geht nicht so schnell! Weiter zu Mutti, freut die sich, mich zu sehen und lächelt über die Grüße von Elisabeth. Mutti ist auch gut zufrieden, besser geht’s doch nicht! Ich plauder noch schön von meinem herrlichen Geburtstag und das ich eigentlich dachte, ein Tag wie jeder andere, wollte eigentlich putzen, da meint aber auch Mutti, man müsse mal Fünfe grade sein lassen! – Jo, Mutti, Recht hast Du, ich hab auch nix mehr geputzt, gestern! Und dann geht die Tür auf und die kleine Schwester bringt das Frühstückstablett. Ich bin ganz perplex, bedank mich und „Das hätt ich doch auch…“, da meint die Schwester aber, ob ich Mutti nachher wohl nochmal die Haare kämmen könnte? Mutti hätte am Hinterkopf so ein Vogelnest, da hätte sie sich nicht beigetraut?! – Kein Problem, mach ich doch gerne. Dafür, meint sie, hat sie auch den Deckel vom Kaffeebecher noch nicht drauf gemacht, damit der Kaffee noch abkühlen kann. Gut! Während Mutti dann gemütlich frühstückt – mit dem roten Teller braucht sie beim Brot heute gar keine Hilfe, frag ich tatsächlich mal nach, weil es mich beschäftigt: „Du Mutti, ich erzähle doch so oft von meinem Forum im Internet…“ Und beschreibe Mutti nochmal die liebe Eva, damit Mutti sich erinnert, was sie auch tut und frag dann wirklich mal die Frage, die mir Eva gestern bei ihrem lieben Geburtstagsanruf stellte: „Stört es Dich eigentlich, dass ich nur schwarze Klamotten trage?“ EIGENTLICH kenne ich die Antwort, aber ich hinterfrage gerne. Eva meinte gestern, ob es für Mutti auch schöner sein könnte, würde ich „fröhlichere“ Farben (statt schwarz) tragen. Und kiek, Mutti grinst gleich und ich weiß schon vor ihrer Antwort, dass ich mich nicht geirrt hab. Nö, stört Mutti überhaupt nicht! „Das bist doch Du?!“ – Jo, Mutti, so isses. Bei aller Liebe und auch wenn ich für Dich durchs Feuer gehen würde, aber auch Dir zuliebe würde ich wohl nicht meine Klamottenfarbe wechseln. Mutti grinst wieder und nickt. Findet sie gut. Und freut sich, dass ich immer noch das schwarze Shirt von ihr hab, dass sie mir schon vor gefühlt Hundert Jahren mal geschenkt hab. Inzwischen ist es so alt, dass ich schon traurig werde bei dem Gedanken, dass es eines Tages mal auseinanderfallen wird… Mutti lacht und freut sich! Gut, haben wir das nochmal geklärt, unser Gewohnheitsrecht auf unsere Klamotten bleibt bestehen. Notiz an mich selbst: Rein schwarze Klamotten auch noch mit in meine Patientenverfügung aufnehmen, nicht, dass noch eine wohlmeinende Schwester kommt und denkt, mir täten andere Farben gut. Dabei weiß doch jeder, in schwarz sind ALLE Farben drin! *gg* Faszinierenderweise meint Mutti, als ich ihr auch noch von den Blumen per Post von Karin erzähle, wo ich fast richtig geweint hätte: „Das bist Du auch!“ – Meine Mutti, voll klar dabei! Wenn ich groß bin, hätte ich gerne ihren Durchblick! So! Nach dem Frühstück das Kämmen erweist sich als harmlos. Bin schon extra mit Frisieröl bewaffnet, aber alles halb so wild, um so besser. Und Mutti geniesst die „Krauleinheiten“ am Kopf. Das ich ihr von der Schokotorte von zuhaus KEIN Stück mitgebracht hab, passt ihr auch in den Kram: „Du, die Zeiten, wo geschlemmt wurde, sind doch vorbei!“ – Da versack ich dann nochmal einen Moment in Erinnerungen, wie Mutti früher geackert und getan hat und entsprechend auch gut essen konnte, teils beim abendlichen Abwasch noch „Reste“ verdrückt hat, aber nicht dick dabei wurde, weil sie ja täglich so „gewuracht“ hat, da konnte gar nichts ansetzen. Und dann fahre ich von Mutti nochmal weiter in den Heimatort, einen neuen Schlüssel anbringen, nochmal alles kontrollieren und siehe da, da hat sich wer scheinbar auch einen Notausgang aus dem Klofenster basteln wollen, das mache ich dann auch noch dicht. Draußen noch die schlimmsten Unkraut-„Bäume“ rausgerissen, damit es nicht ganz so schlimm aussieht – oder so, als würde hier halt doch noch was passieren. Wär ich ein Hund, hätte ich auch noch in jede Ecke gepinkelt… Dann weiter ins dortige Pflegeheim. Gestern hatte mir mein Kl.Bruder erzählt, dass meine Ex-Schwiegermutti jetzt auch im Pflegeheim ist und ich wollte schauen, ob dort im Heimatort, wo sie ja auch gewohnt hat. Kl.Bruder hat es auch nur per Zufall in der Kneipe erfahren – mit uns spricht ja keiner mehr. Immerhin ist sie die Oma zweier meiner Neffen und Nichten. Aber dort im Heim kennt sie keiner, als retour zum Haus, wo mein Auto steht, und meine Ex-Schwager angerufen. Von dem erfahre ich dann, dass seine Mutti jetzt schon seit einem halben Jahr, seit ihrem Sturz letzten Winter im Heim bei ihm vor Ort ist. Damals habe ich sie noch im Krankenhaus besucht. Find ich doof, dass mir keiner Bescheid gesagt hat, aber wozu wundern, dass ist ja die Geschwisterseite, die mich für das Böse hält, so what. Für mich war es schön, mal wieder mit diesem Ex-Schwager zu klönen, er kümmert sich ja schon seit Jahren aufopferungsvoll um seine Mutti so wie ich um meine, von daher haben wir beide keine Zeit, uns zu treffen oder jeder die andere Mutti zu besuchen. Aber er ist definitiv einer von den Guten, läßt Grüße ausrichten und ich genauso zurück! Und darüber wird sich morgen dann wiederum meine Mutti freuen – sie hat ihn immer sehr gemocht, auch wenn sich die Gr.Schwester dann von ihm scheiden liess. Sie hatte es nicht so mit der Treue, aber nach ihren Worten war er das Problem.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 10 Jul 2018, 06:41 © Aggi | |
| 20180709 Montagmorgen: Zehn vor acht am Heim steht draußen schon meine gute Seele Elisabeth und sieht heut richtig edel aus, was ich ihr mit dem dazugehörigen Hofknicks auch sage. Sie grinst schief, hat heute ihren halbjährlichen Termin beim Zuckerarzt. – Tse, dass sie neben allem andern auch noch Zucker hat, wusste ich gar nicht. Elisabeth zuckt mit den Achseln: „Mit sowas geht man doch auch nicht hausieren?!“ … Ob ich denn heute noch ins Dorf komme, heute hat wieder ein Bewohner Geburtstag? Und ob, bin kurz davor, ihr meinen Einkaufszettel zu zeigen, um es zu beweisen. ^^ Elisabeth lässt Mutti grüßen und meint, sie bringt dann noch einen Einkaufszettel. Also erstmal weiter zu Mutti, die mein „Klopf! Klopf!“ genauso erwidert. „Hallo Mutti, ich bin’s, die Aggi!“ grüß ich fröhlich und Mutti sagt fröhlich: „Die Aggi!“ Ihr geht es so weit gut, wenigstens keine Schmerzen oder „doofe“ Erlebnisse und so richte ich erstmal das Packen Grüße aus. Von heut früh schon von unserm Vermieter, den ich draußen noch traf und der sich mit mir freut, dass eine neue Woche beginnt und man wieder schaffen kann. Dann natürlich von Elisabeth und least erzähle ich ausführlicher von dem Telefonat mit dem lieben Ex-Schwiegersohn und der anderen „Mutti“, die ja wie ich gestern erfuhr, nun auch schon seit einem halben Jahr im Heim ist. Mutti weiß ja, dass die andere Mutti fast komplett blind ist und erinnert sich nach meinen Worten auch, dass sie letzt Jahr nach ihrem Sturz im Krankenhaus war. Klar ist es nicht ein „Juchuh, ich zieh jetzt um ins Pflegeheim!“ Aber da sie auch dort inzwischen viel stürzt, war der Schritt richtig und wichtig. Nicht auszudenken, sie würde zuhause stürzen und hilflos liegen bleiben, ohne die Möglichkeit, jemanden zu rufen... – Natürlich vermisst sie ihr zuhause und nörgelt auch gern mal und immer wieder an allem Möglichem herum. Aber das Recht hat sie auch. Wer verlässt schon gerne sein eigenes Heim? Und das findet Mutti auch. Ganz normal, aber ohne eigenes Bedauern. Aber findet es auch gut, dass sich so der Ex-Schwiegersohn noch inniger um die andere Mutti kümmern kann! Mittendrin in dieser Geschichte kommt zwischendurch Elisabeth und bringt mir den Einkaufszettel und Geld. Ist immer wieder süß und bringt uns zum Lachen, wie sie manchmal so tut, als würde sie Mutti so Oberlehrerhaft ein erzählen: „Aber immer schön brav bleiben!“ und wie Elisabeth dann mit dem Finger „droht“ und grinst. Mutti bekommt den Humor voll und ganz mit und lacht so schön! An Elisabeth hat sie längst einen Narren gefressen! Dann erstmal das Frühstück holen. Heut Morgen sogar mal wieder eine ganze Scheibe Marmeladenbrot plus eine halbe Scheibe Käse. Der Teller ist so voll, dass ich es diesmal sein lasse, auf den roten Teller umzupacken – ist ja genug „rot“ auf dem Teller. Außerdem steht da noch eine Schale mit Kirschquark. Als alles angerichtet ist, tapst Mutti so mit der Hand, den Fingern übers ganze Tablett und greift dann zielstrebig nach der Quarkschale. Ich sag noch dazu, dass sei Kirschquark, da hat Mutti die Schale auch schon am Mund und trinkt. Find ich gut und guck nur, dass nix daneben läuft und Mutti meint, sie hätte eigentlich gedacht, da sei was Flüssiges drin, hätte so „geschwappt“ beim Hochheben. Wurscht, jeder Schluck Quark zählt! Gibt doch kein Gesetz, das man den löffeln muss. Dann macht sie aber weiter mit dem Brot und schafft heute tatsächlich den ganzen Teller. Gegen Ende denke ICH schon, es ist zuviel, aber die Wette innerlich gegen mich selbst hätte ich verloren und freue mich, dass es ihr schmeckt! Als La. zum Saubermachen kommt, erzähle ich Mutti grad, dass mir gestern noch die Nachbarin selbstgezogene Gurken aus dem Garten geschenkt hat. „Mutti, diese kleinen, knubbeligen, die aussehen wie Comicfiguren, wenn man sich noch Arme und Beine dazu vorstellt.“ Und wie lecker die waren und wie ich lachen musste, als mein Mann meinte: „Igitt, die sind ja warm, leg die erstmal in den Kühlschrank!“ – Mutti lacht auch und La. erzählt, dass sie gestern zufällig den ganzen Tag in der Küche stand, Gurken einmachen. Da komme ich ins Grübeln und meine so zu Mutti, Gurken hätte sie aber nicht eingemacht, oder? Und da weiß Mutti aber genau, dass sie früher Gurken eingelegt hat. In verschiedenen Varianten. Und da fällt dann auch bei mir der Groschen. Na klar, wie kann ich mich auch genau dran erinnern, dass war noch die Phase meiner Essstörung, wo ich noch kein Freund von eingelegten Gurken war. Heute ess ich die Dinger, als wäre ich chronisch schwanger oder so. – Mutti grinst. „Oh ja!“ Aggi, ihr schwieriges Ess-Kind. Hat sie ja auch groß gekriegt. Und wie groß!!! Ich heb die Arme über den Kopf: „Mutti, unter uns und seien wir mal ehrlich, von allen fünfen bin ich doch die Größte!“ *gg* ( äh, tatsächlich überrage ich die andern, so körpergrößentechnisch, irgendwie sind die andern vier alle geschrumpft, denk ich oft, denn hohe Schuhe trage ich weißGott nicht!). Mutti weiß jedenfalls, wie ich das meine und lächelt schelmisch. Sie selbst war mit ihren Einsachtundsechzig immer die Kleinste… ^^ Dann noch eben einkaufen fahren und nochmal zu Mutti, die schon wieder geschlafen hatte, aber gleich lächelt, als sie merkt, dass ich nochmal bei ihr bin. Nochmal klönen und „Fahr schön vorsichtig!“. Das sagt sie auch oft, wenn ich gehe.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 10 Jul 2018, 14:38 © Aggi | |
| 20180710 Dienstagmorgen: Endlich wieder Regen – selbst wenn es Nieselregen ist! Also seit langem mal wieder mit Regenschirm zu Mutti, die auch gleich grinst, als sie das sieht und fragt, ob ich gut durchgekommen sei? Das es auch was kühler geworden ist, hat sie selbst schon gemerkt. Und ich erzähl Mutti erstmal, wie gut mir der Regen in den Kram passt, weil uns durch die Bauphase ja alles verstaubt ist. Überall der rote Dachziegelstaub, sogar im Tempo beim Naseputzen! Mutti nickt, sowas kennt sie! Also beschliessen wir einmütig, uns heute nicht über den Regen zu ärgern, die Pflanzen haben ihn schliesslich auch dringend nötig. Ich bringe Mutti zum Lachen als ich sag, dass ich bei meinem Büschen schon bei Mund-zu-Mund-Beatmung angekommen bin. Danach richte ich die lieben Grüße mal nicht von ihrer Lieblings-Nichte, sondern von ihrem Mann aus, die Nichte war nicht da, als ich gestern anrief. Mutti hat immer lange, hochinteressante Telefonate mit dieser Nichte geführt, die beiden haben ein ganz besonderes Verhältnis und Mutti ist sogar ein bißchen traurig, dass sie nicht selber da war. „Du, Mutti, das kommt doch vor, dass man mal einen Anruf kriegt, während man selber z.B. grad am Einkaufen ist.“ – „Oh ja!“ Und mit dem Ehemann dieser Lieblingsnichte kann man ja auch fantastisch klönen und vor allen Dingen geht es beiden gut – haben krankheitstechnisch ja auch ein schweres Packen zu tragen, lassen sich aber nicht unterkriegen. Ich bringe Mutti zum Kichern, dass mein angeheirateter Cousin auch schon neidisch auf so ein vollelektrisches Bett schielt, wie Mutti es jetzt hat: „Kiek, Mutti, wir Kinder sind doch jetzt echt in dem Alter, wo wir immer fauler werden und uns schon ein Bett mit Fernbedienung wünschen!“ Mutti schmunzelt. Jo, früher hat es sowas noch gar nicht gegeben! Und jetzt kann man gar nicht mehr ohne. Dann darf ich Mutti das Frühstück holen. Heute anderthalb Scheiben Marmeladenbrot plus eine Schale Kirschquark. Für Mutti ist das in Ordnung und sie schafft das ganze Brot, mag dann aber am Ende keinen Quark mehr. Heute meint sie, den würde sie gar nicht mögen und dann ist das eben so. „Du, ich biete immer nur an. Nicht das Du noch denkst, Aggi hätte ja mal den Mund aufmachen können.“ Mutti grinst, ist aber pappsatt. Als ich dann den Tisch abgeräumt hab und Muttis Bett und Kopfteil wieder runtergefahren habe, stutze ich selbst, mir kommt ihr Kopfteil noch etwas zu hoch vor. Mutti liegt ja gerne relativ flach. Also frage ich nochmal, ob es so recht ist und Mutti meint, für den Moment geht’s, sie würde ja nicht die ganze Zeit hier bleiben. Kauderwelscht noch weiter, sinngemäß, sie würde hier … also, äh, wo ist das denn … noch abgeholt würde. Da sag ich dann ganz ruhig, schau, hier bist Du in Deinem eigenen Zimmer. Guck, da hängt noch der Osterhase an der Wand, den Elisabeth Dir geschenkt hat. Da staunt Mutti kurz, lächelt aber gleich. Findet sie wohl in Ordnung. Sieht ganz beruhigt aus. Auch als dann La. zum Saubermachen kommt und Mutti zur Begrüßung strahlend fragt, ob wir Mutti den schönen Regen zu verdanken haben („Hast Du uns den Regen bestellt?“) driftet Mutti ab und erzählt, dass die Krankenwagen, wenn sie so ins Haus fahren, ja immer breite Wege brauchen, damit sie auch Rangieren können. Irgendwie weiß ich, das es passt und sag lächelnd, wie schön, dass La. Dir zutraut, das Wetter für uns zu machen und da freut sich Mutti auch richtig drüber. Kichert ins Kissen wie ein kleines Mädchen, das grad „Prinzessin“ genannt wurde! Und bei „unserer“ La. merke ich aus dem Augenwinkel, dass sie dergl bei Mutti durchaus realisiert, aber überhaupt kein Problem damit hat – sagt ja auch keiner „Igitt“, wenn ein Baby in die Windeln macht. Es gehört einfach dazu und ist ganz normal. Sollte es jedenfalls sein. Als ich mich am Ende dann verabschiede, ist Mutti aber ganz bei mir, freut sich, wo ich sage, dass mein Mann sie lieb hat und lässt Grüße ausrichten und mahnt mich, vorsichtig zu fahren. Sie hat so schön ausgesehen heute. Ihre Haare flossen so malerisch übers Kissen und ihre Gesichtszüge so entspannt. Ich hab eine Kamera in meinem Herzen und damit hab ich heute wieder Fotos gemacht.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 11 Jul 2018, 12:49 © Aggi | |
| - Ann schrieb:
-
- Zitat :
- Ich hab eine Kamera in meinem Herzen und damit hab ich heute wieder Fotos gemacht.
Für die Seelenpinnwand Oh ja, liebe Ann! ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180711 Mittwochmorgen: Zehn vor acht am Heim steht draußen meine gute Seele Elisabeth und winkt mir schon von weitem zu. Ist doch ihre Dose Raumspray, die ich ihr neulich besorgt hab, verschwunden. „Ob die Beine gekriegt hat?“ – Da ja schon so einiges aus ihrem Zimmer abhanden gekommen ist, schlag ich doch mal vor, ob sie nicht besser abschliesst, wenn sie rausgeht. Aber Elisabeth meint, seit gestern hat sie ihren Sekretär, den kann sie abschliessen! War für ihren Sohn nur schwierig im Transport, weil die Eichenkommode sich nicht auseinander nehmen liess und er erst einen Wagen organisieren musste, wo der Schrank reinpasst. Und jo, ich hole Elisabeth heut noch Nachschub und auch frisches Obst. Außerdem bittet sie mich wieder, die leere Flasche Weinschorle zu entsorgen. Ihr ist es nach wie vor unangenehm, die einfach im Mülleimer zu lassen. „Die denken ja noch, ich sei ein Trinker!“ – Inzwischen ist noch der männliche, rüstige Bewohner zu uns gestossen und ich frag beide: „Wenn IHR nicht erwachsen seid, wer dann? Ihr dürft doch abends mal ein Glas Wein oder was trinken?“ Aber beide zucken die Achseln. Ein Pflegeheim hat da so seine eigenen Gesetzmässigkeiten – irgendwie traurig. Die beiden, die grad vor mir stehen, sind das Gegenteil von unmündig und würden sie noch zuhause wohnen, würde kein Hahn danach krähen, ob wer abends mal ein Glas Weinschorle trinken mag… Erstmal weiter zu Mutti, wo Sr. N. noch mit der Wäsche beschäftigt ist. Ich komme mit ans Bett und wir plaudern schön zu dritt. Alles sehr harmonisch und angenehm, so daß ich, als ich hinterher sehe, Sr. N. hat die Augentropfen vergessen, dass auch eher auf die Ablenkung durch mein Erscheinen schiebe. Kann ich genauso machen. Krieg ich auch nur zufällig mit, weil seit gestern eine neue Packung da steht und die heut noch verschlossen ist. Kein Ding, eine Hand wäscht die andere. Erstmal klöne ich wie immer mit Mutti, das ich demnächst mal mein Häkelzeug mitbringe. Das Dreieckstuch ist kurz vor der Vollendung, aber bevor ich es weiterverschenke, musst Du doch noch die Häkelabnahme machen, Mutti! – Mutti lacht, freut sich aber auch schon drauf! Mein Häkelkram in der Vergangenheit hat ihr grossen Spass gemacht! Dann noch eben in den A5-Umschlag geschaut, der auf Muttis Wohnzimmertisch für mich liegt. Und da muss ich dann grinsen. Kiek, die Beteiligung meiner Gr.Schwester am Hausverkauf ist offiziell abgelehnt worden. Um das zu entscheiden musste noch extra ein Verfahrenspfleger bestellt werden, welch eine Verschwendung. Aber eine Beteiligung „dieser Tochter“ wäre der Sache nicht dienlich, theoretisch kann sie jetzt noch Beschwerde einlegen, aber soooooo dumm kann sie nun wirklich nicht sein. Mit dieser beantragten Beteiligung geht es ja auch nur darum, dass sie von offizieller Seite über den Hausverkauf informiert wird. Für mich war das damals eine Ohrfeige, denn als Vorsorgebevollmächtigte nehme ich meinen Job schon ernst. Aber nee, da hat sie wohl gemeint, auf mich sei kein Verlass... Ich erzähl es Mutti, die Post ist ja für sie, hole aus: „Weißt Du noch im Januar, als die Richterin da war und Gr.Schwester auch erschien? So tat, als würde sie Dich besuchen, obwohl sie bloss wissen wollte, was bei diesem Termin passiert?“ – Und Mutti nickt, erinnert sich. War ja kein schöner Besuch gewesen… Sag ich zu Mutti, dass Gr.Schwester meiner Meinung nach danach auch nicht wieder zu Besuch bei ihr, Mutti war. Mutti überlegt kurz und nickt und meint, nein, war sie auch nicht. – So vergesslich Mutti inzwischen ist, ich glaube nicht, dass sie einen Besuch einer dieser beiden anderen Töchter vergessen würde. Was das Tun und Treiben dieser beiden Schwestern angeht, verdreht Mutti kaum noch die Augen. Sie hat sie längst durchschaut, aber lobt mich wieder, wie ich mich um alles kümmer. Heute bringe ich es auch fertig, Mutti zu sagen, dass nach all diesem Behördenkrempel es eines Tages, wenn sie mal stirbt, dann auch wirklich so sein wird, dass sie schuldenfrei stirbt. Das Lächeln danach von Mutti – unbezahlbar! Was haben diese Schulden, die Vattern, nicht sie, angehäuft und hinterlassen hatte, sie niedergedrückt und belastet. Da hat sie den ganzen Horror des 2.Weltkrieges leichter überstanden, kein Scherz! Und dann ist auch gut mit dem Thema, viel wichtiger ist doch, ob Mutti Lust auf Frühstück hat. "Und ob." Also in Ruhe und gemütlich frühstücken. Heute eine Scheibe Marmeladen- und eine halbe Käsebrot. Ich erzähl dabei von unseren „Handwerker“-Arbeiten, Reparaturen, was in der Dachdeckphase angeditscht wurde und wie gut mein Mann und ich Hand in Hand arbeiten: „Also, ich steh auf der Leiter und lass mich nassregnen, während mein Mann in der Garage die passenden Unterlegscheiben für die abgerissene Lampe sucht. Kaum ist er draußen, ist wieder trocken!“ Mutti quietscht vor Lachen, während ich so tue, als sei ich mindestens acht Meter eingelaufen im Regen… ^^ Und schafft nach und nach das ganze Brot. Gegen Ende kommt unsere La. zum Saubermachen, grüßt freundlich, fragt wie eigentlich jeden Tag, wie es uns geht und huscht in ihrer unaufdringlichen Art durch den Raum. Festes Ritual beim unterm Bett wischen, dass ich mir Muttis Hausschuhe schnappe und auf dem Rollator kurz an die Wand rolle, damit ich nicht im Weg bin. Bis La. fertig ist – geht ja rasch, und mir sagt, jetzt kannst Du wieder zurück. Und Mutti grinst immer, wie ich auf dem Rollator durch die Gegend flitze: „Fall bloss nicht runter!“ Und dann kommt La. nochmal rein und zeigt eine Häkelsache mit zwei Griffen, zeigt gleich an, ist ein Ding, um sich den Rücken beim Duschen oder in der Wanne abzurubbeln. Gehäkelt aus Kartoffelsackgarn. Dies orange, plastikartige Geflecht. Hat sie mal eben so einen Sack aufgeribbelt und verhäkelt. Soll dann in der Demenzgruppe was zum Fühlen und Raten sein. Ich bin total begeistert und gebe es auch Mutti in die Hand und halte es ihr auch an die Wange zum Fühlen. La. meint, sie hätte zum Häkeln nur 10 Minuten gebraucht, da fällt mir vollends die Kinnlade runter. Mutti grinst von einem Ohr zum andern und ich hab die Vision, wie La. gleichzeitig einen Kartoffelsack aufribbelt, ein Teil für die Demenzgruppe häkelt, Gurken einlegt und die Bude putzt und alles in einer Zeit, wo ich noch nicht mal die Zeitung zum Lesen aufgeschlagen habe … der Hammer! Mutti ist derweil mit dem Frühstück fertig und kauderwelscht schon wieder stark – sie ist müde! Essen ist Arbeit! Den Tablettenbecher vergisst sie heute dreimal in der Hand, aber nach und nach geht das alles auch, auch mit dem Kaffee. Wenn dann noch ein Schluck im Becher bleibt, ist es Wurscht, sie ist pappsatt. Und als ich ihr noch kurz die Zähne putze, weil das wohl auch verloren ging, bleibt sie mit dem Unterteil des Gebiss in der Hand liegen und meint auch auf Nachfragen, das hätte sie öfter in der Hand. Also leg ich es ihr sanft an die Lippen, da macht sie dann doch automatisch den Mund auf und – schwupp: „Jetzt bist Du wieder vollständig, Mutti!“ Und Mutti grinst! Den Spruch mag sie. Mummelt sich ein und schläft glaub ich schon, als ich an der Tür bin. Kurz einkaufen, ist ja nicht viel. Noch mal bei Mutti rein, die so lieb lächelt. Wir fachsimpeln noch, wie schwierig es bei dieser Wetterlage sein kann, gutes Obst oder Blumen einzukaufen. Aber für "dicke Milch" (alte Vollmilch auf einen Teller, dick werden lassen, Schwarzbrotkrümmel drüber und ganz viel Zucker und löffeln, hat Mutti das geliebt!") wär das Wetter perfekt! "Oh ja!"
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| | | | kamia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 11 Jul 2018, 21:40 © kamia | |
| - Zitat :
- "dicke Milch"
ja, kenn ich auch noch, als man noch die Milch in der Kanne vom Bauern bekam. Wurde bei uns auf die Fensterbank gestellt - laaang ist's her.
mit lieben Grüßen Wenn jemand sagt: Das geht nicht! Denke daran: Das sind seine Grenzen, nicht deine.“ (Unbekannt) |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 13 Jul 2018, 06:51 © Aggi | |
| - kamia schrieb:
-
- Zitat :
- "dicke Milch"
ja, kenn ich auch noch, als man noch die Milch in der Kanne vom Bauern bekam. Wurde bei uns auf die Fensterbank gestellt - laaang ist's her. Jo, wir bekamen die Milch ja noch lange aus dem Milchwagen, im Eimer ... unsere Milch-"Mimi" ... ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180712 Donnerstagmorgen: Viertel vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche noch in Gang. Sr. N. hat Mutti heute die Haare gewaschen. Ich kann noch helfen, dass Bett neu zu beziehen und Sr. N. strahlt Mutti an, wir müssten jetzt aber wirklich die Aggi mit einstellen. Meine ich, ich könne ja schlecht tatenlos daneben stehen, da murmelt Sr. N. mehr so für mich, das kenne sie auch anders. Stimmt, habe ich auch schon erlebt, dass andere Angehörige das Personal für Personal halten, stösst mir dann immer merkwürdig auf. Irgendwie ist es hier ja „zuhause“ und ich hab mal gelernt, zuhause packt man mit an. Mutti ist gut gelaunt und greift wie immer gleich nach meiner Hand, strahlt mich an. Das sind diese kleinen Gesten, die alles so wertvoll machen. Noch die Magentablette und da meint Mutti, das Wasser schmeckt komisch. Da hole ich dann gleich eine neue Flasche Wasser und Mutti trinkt tatsächlich noch einen halben Becher – das ist viel! Sr. N. hat inzwischen zusammengepackt und verabschiedet sich strahlend von Mutti – sich diesen Moment noch eben Zeit nehmen, sie macht das schön! Ich kann Mutti noch die Grüße vom Kl.Bruder ausrichten und das es beiden gut geht – da freut sich Mutti! Als ich das Frühstück zehn nach acht holen gehe, treffe ich eine aufgelöste Elisabeth auf dem Flur. Ihr Fußpfleger hat schon wieder den Termin, der erst nächste Woche sein sollte, vorgezogen. Will jetzt heute viertel nach acht kommen. Wie soll sie da das Frühstück für ihren Mann schaffen? Der sei gestern auch schon ganz traurig gewesen, als er das gehört hat: „Dann kommt das doch wieder erst so spät.“ (Was bedeutet, kurz drauf gibt’s dann schon Mittagessen …). Elisabeth ist sauer. Und machtlos. Ich drücke ihr die Daumen, dass alles noch gut geht… Heute lasse ich Muttis Brot mal auf dem Porzellanteller, weil es so Kraut und Rüben liegt, da will ich nicht noch die Marmeladen- mit den Käsestücken vermantschen. Ist dann nachher beim Essen doch zu Sehen, dass Mutti auf dem weißen Porzellan doch blinder herumtastet als auf dem roten Teller, aber ich helfe unmerklich, so schafft sie dann den ganzen Teller Brot und willigt auch in vier Teelöffel Obstquark ein. Eine Schwester hatte noch zusätzlich eine Schale Wackelpudding gebracht, ich hab ihr noch gesagt, das sei zu viel, aber sie meinte nur, Mutti müsse ja nicht alles essen. Den Wackelpudding möchte sie gar nicht. Das Essen dauert ja auch, wir sind jetzt bei 40 bis 45 Minuten. Und danach ist Mutti rechtschaffen müde. Zwischendrin kommt noch unsere La. zum Saubermachen und meint einmal, ob Mutti „ungemütlich“ liegt, ob sie helfen soll, das Mutti aufrechter im Kissen sitz-liegt? Ich schüttel automatisch (und lächelnd) den Kopf und Mutti meint selbst, als sie einmal nachgefragt hat, was La. meint, nein, alles gut so. Später meint Mutti, sie kann doch nicht wie ein „Eskimosoldat“ immer so grade liegen. Jau, recht hast Du! Hätt ich auch gesehen, wäre es unbequem für sie. Mutti hat die angenehme Schieflage doch überhaupt erst erfunden, eigentlich passend zum Hümmlinger-Schief in unserer Wohnung, wo es eigentlich keine grade Wände gibt, was wir SEHR geniessen! Wer will schon im Rechten Winkel leben – wir kommen doch alle mit einer krummen Wirbelsäule auf die Welt?! Mutti lacht so schön bei dem Gedanken! Während La. bei uns war (dann steht den Moment, sind ja meist nur 5 Minuten oder so, die Zimmertür offen, damit sie draußen an ihren Putzwagen kann), höre ich draußen meine gute Seele Elisabeth laut schimpfen: „Die müssen doch pünktlich sein!“ Inzwischen war es nach halb neun, also ist ihr Fußpfleger nicht wie angesagt gekommen. Da würde mir auch die Hutschnur hochgehen. Ihr Mann ist darauf angewiesen, dass ihm jemand beim Essen hilft und die Schwestern verlassen sich darauf, dass Elisabeth das morgens macht… Kommt mir schon ein bißchen so vor, als würde der Fußpfleger denken, bei alten Leuten im Heim kommt’s ja nicht so drauf an … Währenddessen krieg ich zunehmend Kopfschmerzen. Tolle Wurst, Wetterwechsel… Nicht weiter tragisch, nur dass ich mir vor Mutti nichts anmerken lassen will. Da ich kein Pokerface habe, eher das Gegenteil, gar nicht so leicht. Ehrlich gesagt bin ich dann auch erleichtert, als unsere Stunde um ist. Aber nur, weil ich weiß, Mutti hat nichts gemerkt und ich kann mir gleich eine Tablette nehmen.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 13 Jul 2018, 12:56 © Aggi | |
| Liebe Ann, Du bist ein echter Schatz - bringst mich zum Lächeln! Dankeschön! (Hab mich Minuten vorher fürchterlich aufgeregt, weil bei einer Online-Bestellung grad alles schief geht, was schief gehen kann, scheinbar sitzen da blinde Analphabeten am Ende der anderen Mail ... und nü les ich Dich und denk nur ... wurscht. Das Leben kann auch schön sein!) LG, Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180713 Freitagmorgen: Zehn vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche schon durch. Beim Eintreten sehe ich einen Waschlappen versteckt unterm Bett liegen, aber erstmal Mutti begrüßen! Die strahlt mich an. Grinst wie ein Honigkuchenpferd und kann gar nicht an sich halten vor Freude: „Gestern abend habe ich ein Feuer gelöscht!“ Ich bin begeistert – denn Mutti ist einfach nur glücklich! So strahle ich sie an, beglückwünsche sie erstmal zu diesem Coup und taste scherzend ihre Augenbrauen ab: „So ein Glück. Keine Augenbrauen versengt … weil … das sieht doch immer so doof aus!“ Mutti lacht von einem Ohr zum andern! Nein, ihr ist nichts dabei passiert. Da war eben dieses Feuer … da an dem Fenster … und sie hat da gestochert, bis es aus war … und als sie dann da auf ihrem Patientenzimmer sass, konnte sie sich auch nicht erklären, woher das kam. „Du, Mutti, hauptsache, Du hast es aus gekriegt!“ – „Oh ja!“ Mutti ist wirklich gradezu schelmisch glücklich. Und ich bin die Erste, der sie es erzählt! „Guck, Mutti, heut ist Freitag der Dreizehnte, das ist ja ein Glückstag, dass passt doch wie Faust aufs Auge!“ – „Oh ja!“ Mutti nickt! Und lächelt! Natürlich weiß ich, dass ich nicht mal die Schwestern fragen muss. Es geht doch nur darum, wie glücklich Mutti ist! Sooooooo lange hat sie fast nur aus Angst oder traurigen Gedanken bestanden und wenn sie jetzt ein Feuer gelöscht hat, dann bin ich richtig stolz auf sie!!! Da wehrt sie natürlich ab. So dolle war es nun auch wieder nicht. – Jo, sie wäre nicht meine Mutti, würde sie nicht abwehren, wenn ich mal sag, ich bin stolz auf Dich! *gg* Aber das „Ich hab Dich lieb!“ und den Kuss auf die Wange hat sie grinsend mitgenommen! Und nach dieser Aktion hat sie heut früh auch richtig Hunger. Also geh ich auch los, das Frühstück holen. Beim Rausgehen eben den Waschlappen vom Boden entfernen, dabei muss ich grinsen: Als hätte die Schwester, die den nassen Lappen da vergessen hat, geahnt, es könne ja nochmal "brenzlig" werden... Treffe dabei im Flur meine gute Seele Elisabeth und frag nach, wie es mit dem Fußpfleger ausgegangen ist. ( Ist nicht die Fußpflege aus dem Heim, sondern medizinische Fußpflege.) Elisabeth ist immer noch sauer, dem hätte sie gestern erstmal den Marsch geblasen. Der kam nämlich erst um viertel vor zwölf. – Mannomannomannomann! DA wär ich aber auch stinksauer! Erst den Termin vorverlegen und dann statt um viertel nach acht um viertel vor zwölf kommen. Ich frag sie, ob sie nicht einen anderen Fußpfleger finden kann. Ja, das hat sie selbst schon vor. Denn so hat sie dann gestern auf ihr eigenes Mittagessen verzichtet und nach ihrem Termin schnell zu ihrem Mann gehuscht, um dem zu helfen … aber erstmal muss Elisabeth jetzt weiter, um diese Zeit kümmert sie sich ja erstmal um Muttis Zimmernachbarn … Und ich packe Muttis Essen heute wieder auf ihren roten Teller – das geht einfach besser. Klöne dabei mit Mutti, wie ich gestern endlich anfangen konnte, den Dachziegelstaub von den ersten Jalousien und Fenstern zu putzen. Mutti ganz zielsicher: „In einem Jahr sieht man das sowieso nicht mehr!“ – Genau! ( Dasselbe denke ich VOR jedem Fensterputzen, wenn ich mich noch frage, wozu eigentlich, weil Lust dazu habe ich eigentlich nie… ^^). Mutti schafft heute neben ihrem Brot sogar noch fast eine halbe Schale Obstquark. Keine Ahnung, ob das mit daran liegt, dass ich nochmal mit ihr über „dicke Milch“ geklönt hab. Aber heute merkte sie dann noch an: „Mein Vater hat da immer großen Wert drauf gelegt.“ Wußt ich noch gar nicht. Mutti beschreibt mir, wie ihr Vater immer die Kummen verteilt hat und er hat gleich zwei gekriegt. Mutti grinst dabei wie ein kleines Mädchen. Ich frag nach, ob Oma auch mitgegessen hat oder den anderen zuliebe verzichtet hat. „Oh nein!“ Wenn Oma etwas gerne mochte, hat sie schon dafür gesorgt, dass sie auch etwas abbekam und dicke Milch mochte Oma auch gerne! Mochten alle, auch die 5 Kinder. Die Mädchen mit Schwarzbrot und Zucker, die Jungs ohne – aber ich vermute, schon mit Zucker, das hab ich heut nicht ganz verstanden. Und wir philosphieren darüber, warum man das heute nicht mehr macht. Mutti weiß gleich, dass es mit der Milch von heute nicht mehr geht. Und irgendwie schmeckt ihr dazu heute der Quark scheinbar richtig gut. Wir kommen noch auf das weltbeste Vollkornbrot zu sprechen, dass ein bestimmter Bäcker bei uns im Heimatort nach eigenem Rezept gebacken hat. Nachdem er in Rente ging und keiner seine Bäckerei übernahm, gab es dies Brot nie mehr wieder … diese Sorte Brot, die von der ersten bis zur letzten Scheibe einfach nur lecker ist. Schwierig von Hand zu schneiden, aber wer das konnte, konnte alles schneiden. „Nicht wahr, Mutti, Mischbrot kann ja jeder schneiden!“ Wir lachen zusammen! Von diesem Vollkornbrot einfach so eine Scheibe nur mit Margarine … oder gekrümmelt über Süßspeisen … oder mit Wurst … womit auch immer … selbst der letzte trockene Kanten einfach ohne alles geknabbert … Mutti und ich schwelgen mit glänzenden Augen! Als ich mich am Ende von Mutti verabschiede erwähne ich nochmal das Feuer – und schlagartig grinst Mutti wieder von einem Ohr zum andern. Diese Abwesenheit von Alpträumen und dergl Ängsten – ich würde meinen rechten Arm dafür geben, wenn es bis an ihr Ende so bleiben darf!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 13 Jul 2018, 17:02 © Belle | |
| Liebe Aggi! Ich find es immer wieder spannend welche Erinnerungsreste da aus dem Gedächtnis gequetscht werden. Wer weiß schon, wielange dieses Feuer-erlebnis schon zurück liegt? Oder ob sie es mal im Fernsehen gesehen hat? Oder ob sie den roten Sonnenuntergang meinte ???? Meine Güte, ich bin aber auch immer soooo neugierig!!! Aufjedenfall eine nette Geschichte mit einer glücklichen Aggimutti, das ist schön. Machts gut, meine Lieben |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 14 Jul 2018, 15:12 © Aggi | |
| Liebe Belle, ich war selbst fasziniert - aber weniger von der Geschichte, dass Mutti Feuer gelöscht hat, sondern weil sie so glücklich war! Geschichten mit Feuer oder Brand, wären sie in der Vergangenheit bewusst von ihr erzählt worden, hätte ich ja erinnert, keine Ahnung, woher das nun kam. Ich denke, sie hat es geträumt. Aber wurscht, hauptsache, sie war glücklich! Ein andermal sind's Kartoffeln, die uns anschaun, die zum Lachen bringen, nicht wahr?! LG, Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180714 Samstagmorgen: Zehn vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche schon durch. Auf mein „Klopf! Klopf!“ begrüßt mich Mutti mit „Hallo Aggi!“. Ihr geht es gut, aber sie wundert sich, dass es noch kein Frühstück gab. Ich mein, wo’s erst zehn vor acht ist, ob sie sich noch einen Moment gedulden kann, die Küche ist noch nicht so weit? Meint Mutti, sie würde hier in der Untersuchungsklinik ihre Wünsche sowieso immer ganz hintenan stellen. Lächelt ganz lieb dabei. Alles gut! Sie ist noch nicht am Verhungern. Nachher wundert sie sich, wieso es jetzt zum Mittag Frühstück gibt, aber das es dann Frühstück gibt, findet sie gut. Zwischendurch frag ich nochmal, ob sie auch eine größere Uhr haben möchte. Aber wie ich mir selbst schon gedacht hab, möchte sie das gar nicht. „Das bringt doch nichts.“ So klar ist sie dann doch, dass sie weiß, dass sie auch auf die richtige Uhrzeit schauen kann und doch nicht weiß, welche Tageszeit wir grad haben. Aber alles lächelnd und ohne bedauern! Zumindest bei mir stört es sie überhaupt nicht oder nur noch selten, wenn sie was nicht weiß oder in der Zeit verrutscht. Aufrecht sitzen bleiben fällt ihr heute auch schwer. Diesmal frage ich irgendwann nach, ob sie noch bequem liegt. Mutti guckt ganz erstaunt und ich frag, ob irgendwas weh tut. Nein. Auch anhand ihrer Mimik ist mir klar, sie liegt so schief ganz bequem. Dann fütter ich eben die Reststücken Brot an. Wir sind ein eingespieltes Team, Mutti macht von alleine den Mund auf, ich frag aber trotzdem jedesmal, bevor ich anreiche. Irgendwie liegt sie da heut wie die Queen von England, die darf sich so verwöhnen lassen. Dann kommt unsere La. zum Saubermachen und bekommt auch die Geschichte erzählt, wie mein Mann und ich gestern Abend endlich das Ameisennest in unserer Küche entdeckten und vernichtet haben. Da ich schon barfuss im Nachthemd war, für mich ein kribbelige Angelegenheit, denn Ameisen in der Küche brauche ich ungefähr so dringend wie Fußpilz…….. Mutti lacht, während ich auf dem Rollator zappel, wie ich mich geekelt hab und ich bin noch ganz stolz auf diese Geschichte der Vertreibung dieser ungewollten Mitbewohner, da zückt La. ihr Handy. Zeigt uns, also mir, ein Bild einer Monster-Motte, die sie neulich hier im Heim entdeckt hat. Erste Reaktion von mir: „Mutti, wir wechseln das Heim!“ Dann beschreib ich Mutti das Mega-Vieh, übertreibe natürlich masslos, was Mutti auch weiß – sie lacht so schön! Aber das Vieh ist echt größer als die Polizei erlaubt, könnte man schon mit Halsband an eine kleine Katzenleine legen … bääääääääääh! La. und Mutti kichern und quietschen und ich spiel die Echauffierte! Mutti findet alles lustig, ich weiß ja, dass sie kein Problem mit Insekten hat und ich werde mich heute mit Pfeil und Bogen bewaffnen, bevor ich hier Hausputz mache. Wer weiß, was mir noch so entgegen krabbelt. Außerdem wechsel ich jetzt von Nachthemd zu Ganzkörperschlafsack, mit Kapuze… brzzzzl, ich werde das Bild dieser Dinosauriermotte nicht mehr los, da steckte ein halbes Nilpferd mit drinn! Als ich mich am Ende von Mutti verabschiede, bringt sie doch mal wieder den Satz, ich müsse aber nicht immer kommen. Wenn ich mal was anderes vor hätte, wär das auch in Ordnung. Sag ich also wieder wie immer, wie gerne ich bei ihr bin und die Zeit mit ihr geniesse. Da meint sie, das würde ich immer sagen! Das freut mich und schwöre ihr: „Weil es so ist!“ Mutti grinst, Aggi grinst.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 14 Jul 2018, 19:07 © Belle | |
| Liebe Aggi! Was mich schon die ganze Zeit interessiert. Schaut die Aggimutti noch fern? Ich meine einfach so, ohne etwas zu verstehen... Sorry wenn ich zu neuguerig bin, aber du schreibst immer so genau und ich lese da immer mit Alles Liebe, Belle |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 15 Jul 2018, 14:07 © Aggi | |
| Liebe Belle, frag ruhig. Ich hab mal gelernt, es gibt keine (dummen) Fragen, nur dumme Antworten! - Belle schrieb:
- Was mich schon die ganze Zeit interessiert. Schaut die Aggimutti noch fern? Ich meine einfach so, ohne etwas zu
verstehen... Wenn ich hier an Board komme, habe ich meinen Tagebucheintrag immer schon geschrieben, meist direkt nach dem Besuch bei Mutti, offline. Damit ich nix vergesse am liebsten immer sehr zeitnah nach dem Besuch. Und jetzt les ich Deine Frage und muss grinsen: Hab sie in meinem Eintrag schon beantwortet, verrückt, was für Zufälle es manchmal gibt. Ausführlicher: Mutti hat keinen Fernseher, auch keine Musik. Will sie alles schon seit Jahren nicht mehr. Als sie noch am Rollator gehen konnte, hat sie schon bei sich im Wohnzimmer immer noch Fernsehen geschaut. Am liebsten die Nachrichten und politische Sendungen. Musik war eh nie so ihr Ding, es sei denn, es kam was im Fernsehen, was ihr gefiel. Aber seit sie am 21.September 2015 aus dem Krankenhaus entlassen wurde und seitdem nicht mehr aus dem Bett bzw. ihrem Schlafzimmer kam, wollte sie auch nicht mehr Fernsehen. Klar war auch die Sehkraft schon sehr schlecht, aber ich und mein Kl.Bruder hätten ihr auch einen Beamer angeschafft und ihr das Fernsehbild auch PublicViewing-Format gebracht. Aber sie wollte nicht. Wir haben oft genug gefragt. Genauso jetzt im Heim. Sie sagt immer: "Wenn ich man meine Ruhe hab." Jo, so ist sie. Dir noch einen schönen Sonntag! Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180715 Sonntagmorgen: Auch heut früh bei Mutti im Heim ist die Wäsche schon durch. Mutti scheint die Sonne in die Augen und nach der Begrüßung mache ich erstmal die Jalousien runter. Darüber freut sich Mutti, ist blöd, da zu liegen und geblendet zu werden. Ich frag, ob ihr Samstag gut verlaufen ist. Mutti weiß nicht recht, was sie sagen soll und ich frag, ob was mit Schmerzen oder Unbill. Nein, alles gut! Später entdecke ich zufällig im Mülleimer eine leeren Schokocremebecher und frag nach. Oh ja, den hat nachmittags eine von der Mitsprache vorbei gebracht. Also weiß ich, eine von den Schwestern. Mutti weiß noch, die hätte ein andermal schon mal gefragt, da wollte sie aber nicht. Aber diesmal. Das Wort Schokocreme kann Mutti sich nicht merken, aber es war lecker. Von alleine hätte sie das nicht erinnert, glaub ich. Aber ich finde das schön! Als wir uns am Ende verabschieden, meint sie sogar von sich aus, vielleicht werde ich ja überrascht und jemand bringt mir auch so … wie heißt das noch? – Schokocreme. – Ja, Schokocreme vorbei. – Sooooo lieb! Aber erstmal klönen wir zu Beginn, sie fragt, wie es meinem Mann geht und natürlich geht es ihm gut. Ich erzähl von meinem Monsterhausputz, bis ich um halb drei aber sowas von alle war. Mutti meint zustimmend, irgendwann ist ja auch gut. Und ich füg grinsend an: „Und bei meinem hohen Alter inzwischen….“ – Mutti schüttelt sich vor Lachen. Der Witz geht immer, wenn ich so tu, als wär ich gottweiß wie alt! Zum Frühstückholen muss ich mal wieder in den großen Speisesaal, kein Problem, der Wagen ist schon fertig und ich kann ihn mitnehmen. Auf dem Rückweg kann ich noch „meinen Freund“ von der Decke erlösen, die unverständlicherweise jemand auf „seinen“ Stuhl gelegt hat. Er kommentiert das dann auch lautstark damit, sonst würde sich ja auch niemand um die Decke kümmern. Ich kann seinen Aufruhr verstehen. Ist morgens sein erster Gang zu diesem Stuhl, wie kann da auch auf einmal eine Decke drauf liegen??? Weiter zu Mutti. „Ich tu noch eben einen Schluck kalt Wasser auf den Kaffee.“ Manchmal fragt sie nach, warum ich Kaffee auf das Wasser tue, meist aber sagt sie, ohja, das ist gut. Und bei ersterem bin ich mir nicht mal sicher, ob ich mich bei diesem täglichen Satz nicht auch mal selber „versabbelt“ hab. Meine Versprecher entgehen Mutti nämlich nur äusserst selten! *gg* Zum Frühstück komme ich heute klöntechnisch aufs volle Sportprogramm. Ohne Fernsehen und Zeitung bin ich ja Muttis Nachrichtenprogramm und es fängt an mit dem WM-Finale heute. Oder damit, dass ich erstmal grüblen muss, wer überhaupt gegen wen spielt. Was Mutti ein amüsiertes Grinsen entlockt. Dass ich kein Fußball-Narr bin, weiß sie noch. Weiter, wo ich grad dabei bin, zu den anderweitigen Sportsendungen, die ich durch meinen Mann oder auch selbst schätzen gelernt hab bis ich beim Snooker bin. „Mutti, kennst Du das Wort Snooker?“ Bildreich erklärt inclusive Aufstehen und Vormachen zur Untermalung entführe ich Mutti, während sie in Ruhe frühstückt, also in die Welt des Sportfernsehens. Und es ist weder für sie noch für mich auch nur eine Sekunde langweilig. Hätte mir das vorher einer erzählt, hätte ich vermutlich gesagt, ich weiß nicht… Ich lese in Muttis Gesicht, dass es sie gut unterhält – auch daran, dass sie ab und an sogar vergisst, weiter zu essen. Und dafür, dass ich davon, wovon ich grad rede, nicht mal viel Ahnung habe, macht es richtig Spaß! Hatte erst überlegt, ihr heute mal wieder vorzulesen, aber irgendwie hat sich das spontan ergeben und war besser. Das funktioniert auch nur spontan, vorher ausdenken kann ich mir sowas gar nicht, das würde nicht gehen. Und ich sehe jetzt schon sein Grinsen, wenn ich meinem Mann gleich sage, heute hab ich Mutti Snooker erklärt.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 17 Jul 2018, 05:45 © Aggi | |
| 20180716 Montagmorgen: Viertel vor acht am Heim steht draußen schon meine gute Seele Elisabeth. Heute ist ihr Geburtstag und ich gratuliere leise und nehme sie in den Arm. Elisabeth strahlt. Sie fragt, ob ich heute noch „in die Hauptstadt“ komme – grinst dabei. Jo, klar muss ich noch einkaufen. ^^ Und ich freue mich zu hören, dass die Auswahl an Säften/kleinen Getränkeflaschen ihrem Mann gut gefallen hat. Kann ich nochmal welche mitbringen! Und eine Tube Senf!!! Kann doch nicht angehn, dass die schon nach 2 Wochen alle ist???? Ist nur für ihren Mann, der ab und an ein bißchen Senf auf dem Brot oder Belag mag. Die kann doch nicht nach 2 Wochen schon alle sein? – Ich versteh Elisabeth, so gerne sie alles teilt, aber für meinen eigenen Mann würde ich auch auf die Barrikaden gehen. Und weil Elisabeth Elisabeth ist, gibt sie mir zu dem Einkaufsgeld noch 10 Euro für mich. 10 Euro. An ihrem Geburtstag … ich sag da mal nichts dazu … Erstmal weiter zu Mutti, die sich freut, mich zu sehen. Von Elisabeths Geburtstag hatte ich ja schon erzählt, Mutti erinnert sich: „Ach, ist das heute?“ Wir hatten besprochen, ich hole heute frische Blumen für beide, ihr Mann hat ja auch Geburtstag. Beide am gleichen Tag, beide derselbe Jahrgang. Mutti zeig ich das eingepackte Küchenmesser, dass ich schon besorgt hab. Das von Elisabeth ist ja schon schwarz verfärbt, war mir mal aufgefallen, also ein Neues. Eins von den guten Windmühlenmessern, rostfrei. Hübsch eingepackt wie nur ich das kann: Man nehme etwas Geschenkpapier und hülle es dann in ganz viel Tesafilm ein! ^^ Gefällt Mutti und ich zeige ihr „unsere“ Karte. Sinngemäß: Der Lack ist ab, aber es zählen ja noch die inneren Werte … (Blutwerte, Zuckerwerte, Leberwerte) … Mutti ist begeistert! Farbenfrohe Karte und der Spruch gefällt ihr! Lese ihr noch vor, was ich in unser beider Namen reingeschrieben habe, gebe ihr die Karte auch in die Hand. Gut gemacht! „Aber nimm Dir das Geld von mir!“ – Aber natürlich, Mutti, ist doch fifty-fifty von uns beiden! Versicher ich ihr hoch und heilig! Denn das Geschenk IST von uns beiden. Dass ich es von meinem Geld bezahle, halte ich persönlich für unwichtig. Da habe ich überhaupt kein Problem, zu lügen, weil es zu Muttis Vorteil ist, nicht zu ihrem Nachteil. Ich bring sie noch zum Lachen, weil sie die Karte gar nicht erwähnt: „Ja nee, is klar, willst Dich darum drücken, die mit zu bezahlen!“ – Mutti lacht so doll, dass ihre oberen Zähne nach unten fallen. Besser geht nicht! Und dann erstmal das Frühstück holen. Mutti ist etwas irritiert, dass ich das heute mache, aber ich versicher, das mach ich doch gern und damit ist gut für sie. Auf dem Tablett steht heute Maurerfrühstück: Neben jeder Menge Marmeladen- und Käsebrot eine Schale mit Obstquark, eine mit Wackelpudding plus eine Kumme mit Milchsuppe. Von Elisabeth weiß ich, dass es auch Bewohner gibt, die das alles morgens aufessen. Elisabeth hat mir grad noch wieder erzählt, dass sie immer abwartet, bis eine bestimmte Bewohnerin mit ihrem Frühstück fertig ist, weil sie selbst sonst nichts runterbekommt. Diese Bewohnerin isst nicht nur, bis alles abgegrast ist, sie schlingt auch so stark, bis der Mund „überläuft“, dann lässt sie einfach alles aus dem Mund auf den Teller fallen und isst es nochmal. Elisabeth erträgt den Anblick nicht mehr und geht nur noch zum Frühstück, wenn diese Bewohnerin fertig ist. Ich kann das verstehen. Verständnis für die Macken anderer ist das eine. Aber wenn sich der Magen umdreht, ist das unkontrollierbar, dann braucht es Gegenmaßnahmen. Für Mutti ist so ein Tablett aber viel zu viel. Sie schafft heute ihr Brot und nachdem sie schon abgelehnt hat, nimmt sie später aber doch noch fünf Teelöffel Obstquark von mir an, bis sie selber sagt, jetzt ist gut. Mich freut das einfach sehr, wenn sie neben dem Brot auch noch Quark oder ähnliches essen mag, ist ja für vieles gut. Wie immer frage ich Mutti auch, ob ich ihr was mitbringen kann. Und Mutti holt aus: Sie könne ja eine ganze Liste schreiben. Sie war ja immer selber einkaufen. Aber wozu das? Sie braucht doch nichts? – Auf jeden Fall weiß ich, dass sie wirklich keinen Wunsch hat und sag, wäre ja unhöflich, über die Einkäufe, die ich noch plane, zu reden, ohne Dich zu bitten, Mutti. – "Oh ja." Erstmal also ins Dorf, bis gleich, Mutti! Und dort habe ich mehr Glück als Verstand, weil ich ausgerechnet im Kiosk, wo ich eigentlich immer nur die LordExtra für Elisabeth hole, zwei Geschenke ergatter, perfekt für Elisabeth und ihren Mann. Bin, glaub ich, noch nie mit Gänsehaut aus einem Kiosk raus! Als ich alle Läden abgeklappert hab, zurück ins Heim. Erstmal nur die Einkäufe für Elisabeth rein. Im Flur sitzt „mein Freund“ ganz traurig und strahlt, als er mich sieht: „Da bist Du ja! Bist Du meine Frau?“ Na klar bin ich seine Frau. Entschuldige mich aber, weil der Korb so schwer ist. „Komm schnell wieder!“ Auspacken in Elisabeths Zimmer. Wechselgeld und Kassenbons und natürlich auch die 10 Euro auf ihren Nachttisch legen, tse, ich hoffe einfach, Elisabeth merkt es nicht. Und weiter zu Mutti, die schon am schlafen ist, aber leicht aufwacht. Ich bereite sie darauf vor, dass ich jetzt unsere Geschenke aus dem Auto hole, muss Mutti ja erstmal sehen, bevor ich sie weitergebe. Mutti lächelt, freut sich drauf! Die Sachen kriege ich dann auch unbemerkt auf Muttis Zimmer. Nur ein kurzer Aufenthalt bei meinem Freund, wo ich eine Umarmung und die Versicherung, dass es wohl Liebe auf den ersten Blick ist, bekomme. Er schimpfte schon laut, als ich den Flur hochkomme. „Wo ist sie?“ Als er mich sieht: „Da ist sie ja! Meine Frau!“ Sr. Au. freut sich, wieder ein Rätsel gelöst und ich versicher ihm dann auch, dass ich immer wiederkomme. Er: „Ich war schon ganz verzweifelt.“ Aber ich darf weiterlaufen, er lächelt mir hinterher. Und bei Mutti ist Mutti SEHR angetan von meiner Auswahl. Ein sehr angenehmes Wandgehänge, wo ich mehr so an Elisabeths spartanisches Zimmer dachte und der verrückteste Kaktus der Welt mit punkigen Silberringen an den einzelnen Fingern, der extrem wenig Wasser braucht. Diese Sorte: Wollen die den nicht, nehm ich den! ^^ Mutti beides so dicht es geht vor Augen gehalten lese ich gleich in ihrem Gesicht ihre Freude: Gefällt ihr beides ausnehmend gut! Und so cool: Wo ich Elisabeth schon in ihr Zimmer gehen hörte und zu Mutti sag, ich wollt wohl gleich rüber, bevor Elisabeth mir wieder entwischt, zwinkert Mutti mir zu und sagt: „Hau ab!“ Mit Sack und Pack zu Elisabeth und die fängt gleich an zu Schimpfen: „Ihr sollt doch kein Geld für mich ausgeben! Was soll das!“ – Ich grins einfach nur und stink dagegen, wie gerne wir schenken, aber gewiss nicht bei jedem und schau mal hier und schau mal da und dann ist Elisabeth wirklich auch begeistert. Dies verrückte Kaktusding ist perfekt für ihren Mann, sieht richtig gut aus und ist trotzdem pflegeleicht! Was sehr wichtig ist, denn ihr Mann ist so einer, der würde NIEMALS eine Schwester bitten, bei ihm Blumen zu gießen, wo die doch immer so viel zu tun haben. Lieber verzichtet er auf Blumen. Elisabeth schimpft: Bei all dem Geld, was wir hier bezahlen, können die gerne auch mal Blumen gießen! *gg* Oki, Blume für den Mann ist gut, Wandschmuck für Elisabeth ist gut, hängt schon, wir fanden einen Nagel, der schon da war und das passte perfekt, sieht richtig gut aus. Und least packt Elisabeth dann das Küchenmesser aus. „Das ist ja viel Tesafilm!“ ^^ Und fängt an zu Strahlen! Und jetzt bin ich glücklicher Besitzer ihres alten Messers, schon voller harter Scharten und schwarz angelaufen, aber noch gut zum Unkraut jäten, meint Elisabeth. Recht hat sie! Und die Karte liest sie zum Schluss und grinst von einem Ohr zum andern. So kann ich dann ein letztes Mal zu Mutti und jetzt ausführlich beschreiben, welche Freude wir Elisabeth gemacht haben. Das hat Mutti richtig gut gefallen. Elisabeths Mann wird sich dann freuen können, wenn er vom Krankenhaus zurückgebracht wurde, wurde vorhin abgeholt für den Katheterwechsel, so hat er hoffentlich noch was, über das er sich heute freuen kann. Und Mutti und mir hat das richtig Spaß gemacht. Zwischendurch sah Mutti so jung aus, als würde sie gleich die Bettdecke zur Seite schmeissen, aufstehen und mal eben selbst zu Elisabeth rüber gehen! Und da es inzwischen schon elf Uhr geworden ist, kann ich Mutti noch mal Wasser anbieten und sie trinkt dreiviertel Becher Wasser! Ein rundum gelungener Vormittag!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 18 Jul 2018, 05:22 © Aggi | |
| 20180717 Dienstagmorgen: Zehn vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche schon durch, aber ich verdunkel noch die eine Fensterseite, damit die Sonne nicht blenden kann. Und Mutti erzählt mir zur Begrüßung, sie war heut zur Wäsche „da“ (sie zeigt vage Richtung Badezimmer), aber bevor ich noch fragen kann, ob sie heut im Bad war, meint sie, und dann hätten die noch das ganze Vogelfutter gestreut und so… Also sag ich, das ist doch schön und Mutti lächelt. Es war wohl schön! Sie wirkt ganz zufrieden und das ist die Hauptsache. Ich erzähl, dass ich jetzt nur noch eine Reihe brauch, bis das Dreieckstuch fertig ist. Sei ja ganz angenehm bei diesem Wetter Baumwollgarn zu häkeln. Da weiß Mutti, dass ich schon mal was mit Baumwollgarn gehäkelt hab. Ich bin begeistert! Hab ja in den zwei Jahren bei ihr so einiges gehäkelt, zwischendurch sogar noch Stulpen gestrickt, aber dass sie sich auch noch an die Arbeiten mit dem Baumwollgarn erinnert, rührt mich doch! „Ist aber das weichere Baumwollgarn, nicht das etwas härtere, womit Du Deine schönen Tischdecken gehäkelt hast!“ Ja, Mutti erinnert sich! Als ich dann wegen Frühstück frage, meint sie, dass hätte sie schon gehabt, stimmt aber zu, dass ich mal nachschauen gehe. Dort „klau“ ich mir kurz die Zeit, die neuen Zettel an der Tür zum Speiseraum für die dementen Bewohner zu lesen. Angenehm in Rollstuhlhöhe eine gute Beschreibung, was hier so passiert. Mit Foto, auf dem der Praktikant mit drauf ist und ich frag mal Sr. S. nach seinem Verbleib. Wäre doch schön, würde er dauerhaft im Heim arbeiten. – Leider nein. Seine Frau hat wohl nicht gewollt, dass er arbeiten geht, sollte wohl lieber zuhause bleiben … macht mich auch traurig, er hat alle Qualitäten, die man für den Job eines Demenzbetreuers braucht … Zurück zu Mutti. Heute ein Tablett mit knapp einer Scheibe Brot plus einer Schale Obstquark und einer Kumme Milchsuppe. Ist das jetzt weniger Brot, damit Mutti mehr von dem Breiigen ist? Mutti fängt wie immer mit dem Brot an. Halb Marmelade, halb Frischkäse. Danach biete ich direkt mal die Milchsuppe an, weil Mutti gestern noch dazu sagte, die kriegt sie öfter. Und Mutti mag wohl, kommt auf 7 Teelöffel, sagt aber beim letzten selbst, diesen noch und dann ist gut. Dann ist sie auch so erledigt, dass sie kaum schafft, den Tablettenbecher zum Mund zu führen. Kommt damit bis an die Lippen und lässt ihre Hand dann kraftlos wieder sinken. Ich frag zärtlich nach: „Na, ist Dir unterwegs die Kraft ausgegangen?“ Und Mutti grinst und meint, ja und fügt hinzu, sie dürfe doch auch mal verulken. Sag ich gleich: „Oh bitte! Das hab ich gern, wenn Du das tust!“ Mutti grinst noch stärker. Und nach einer Weile schafft sie den Tablettenbecher dann doch. Fragt wie öfter nach, ob sie jetzt beide (halben) Tabletten im Mund hat. Ja, hast Du. ( Ich lasse sie dabei ja nicht aus den Augen. Die Dinger sind so klein, dass sie auch gern mal rausfallen und in ihrem Nachthemd verschwinden.) Beim Frühstück hatte ich Mutti schon erzählt, dass ich Dussel vergessen hab, ihr das schöne Gedicht von Theodor Storm auszudrucken, dass ich heute im Forum von der lieben Eva eingestellt entdeckt habe. Tse, ist mir doch der blöde Bügelwäschekorb dazwischen gekommen… Mutti sinniert, dass sie Gedichte von Theodor Storm kennt. Wenn es keine Unkosten bereitet, darf ich ihr das gerne mal mitbringen und vorlesen! Dafür ist sie heute einverstanden, dass ich ihr noch eine Geschichte aus „unserm“ Buch vorlese. Heute „Das verspätete Feuerwerk“. Und Mutti lächelt von Anfang an, man ahnt ja gleich, worum es geht und wie wohl weiter. Sie ist ganz dabei und strahlt über das ganze Gesicht. Ich lasse sie keine Zeile aus den Augen und bin gleichzeitig selbst begeistert von der Geschichte. Den letzten Satz wiederholt Mutti dann. Stimmt zu! Und dann, weil’s grad passt, erzähl ich, wie ich gestern Abend im Fernsehen noch was mit Feuerwerk gesehen hab, was schön war. Hatte nichts mit dem Sylvester-Hype zu tun, war einfach nur eine gute Sache und das gefällt Mutti auch. Zum Abschied lässt sie meinen Mann zweimal grüßen und ich frag wirklich mal nach, wie sie das meint. Sinngemäß erklärt sie mir, dass sie ihn ja grüßen lässt und wenn dann noch wer kommt und ihn grüßen lässt … jo, so kommt man dann auch zweimal und bevor ihr bewusst werden könnte, das da was nicht stimmt, bestätige ich, dass er sich sehr freuen wird! Aber dann beim abschiedlichen Knuddeln und Abschiedskuss meint Mutti unvermittelt, sie fühle sich hier schon gar nicht mehr wohl . . . einen Moment bleibt mein Herz stehen . . . und dann hoffe ich einfach nur, dass sie was anderes meint, bin heillos überfordert und hab Angst und verabschiede mich einfach fröhlich und gelassen wie immer. Mutti sieht auch aus wie immer und ich wünsche einfach nur, das war ein Versprecher . . . Gehe nachdenklich und traurig von ihr weg, treffe im Foyer aber noch meine gute Seele Elisabeth plus noch zwei Bewohner, wo mir Elisabeth dann erzählt, gestern hätte mich mein Freund noch überall gesucht und Elisabeth gefragt, wo ich wohl sei, weil er mich heiraten will. Da muss ich dann doch grinsen. Der Mann hat Demenz und kann mich nicht vergessen, wenn das man keine Leistung ist…. Und jetzt hoffe ich, dass morgen bei Mutti alles gut ist. Auf der Rückfahrt hatte ich schon im Kopf, heute nochmal hinzufahren und nachzusehen, ob es ihr gut geht. Aber dann mache ich mich verrückt und das wäre auch nicht gut. Aber Liebe kann ganz schön weh tun. Vergess ich doch immer, solange es nicht so ist . . .
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 18 Jul 2018, 08:50 © felixx | |
| Liebe Angi, wenn es einen einzigen guten Aspekt an Demenz gibt, dann den, dass Kümmernisse oder gefühlte kleinere Katastrophen, die uns nach dem Besuch eine ganze Nacht/ einen ganzen Tag beschäftigen, am anderen Tag völlig vergessen sind. Ich drück dich mal ganz fest! Felixx
Nur weil es gerade schwer ist, darfst du nicht gleich aufgeben. Es wird nicht einfacher, wenn du davor wegläufst. |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 18 Jul 2018, 14:08 © kamia | |
|
mit lieben Grüßen Wenn jemand sagt: Das geht nicht! Denke daran: Das sind seine Grenzen, nicht deine.“ (Unbekannt) |
| | | soda1964 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 18 Jul 2018, 15:30 © soda1964 | |
| Liebe Aggi auch von mir kriegst du eine . Sie wird nicht ewig hier bleiben, deinen Mama ... doch das weisst du ja selber Herzliche Grüsse
ThereseMan muss mit Allem rechnen - auch mit dem Guten.
Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Pearl s. Buck
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| | | Belle Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 19 Jul 2018, 06:26 © Belle | |
| Liebe Aggi, wir werden sie nie ergründen, diese speziellen Aussagen die uns dann so sehr beschäftigen. Da fällt mir auch das gelöschte Feuer ein... Es gilt Tag für Tag zu erleben und das so wie du es ohnehin in Vollendung beherrschst. Die Situatiuonen, so wie sie einfach sind, anzunehmen sind die größte Herausforderung. Und du bist Meisterin darin. Leider kann es nicht immer nur die schönen Momente geben auch wenn ich dir nichts anderes wünsche!!! Ach Aggi, grübel nicht nach, vielleicht ist heute wieder alles gut. Ich hoffe es so sehr. Alles Liebe Belle |
| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 19 Jul 2018, 15:58 © Aggi | |
| Liebe Felixx, Ann, Karin, Therese und Belle! Danke - ihr tut mir gut! Im Moment ist die Bootsfahrt sehr schaukelig... - soda1964 schrieb:
- Sie wird nicht ewig hier bleiben, deinen Mama ...
Das Ding ist - Du kannst noch so darauf vorbereitet sind, kein Tag vergeht, ohne daß ich darüber nachdenke, aber ich sag Dir, letztendlich bist Du es nie, darauf vorbereitet... ... ach menno ... der andere Scheiß ist z.Z. mein blöder Ischias-Dings-Aua, aber zum Glück nur im rechten Po, nicht im linken... Mein Mann läuft jetzt den ganzen Tag hinter mir her und will mich massieren ... also ich immer vorne weg, damit er mich nicht kriegt ... Ich umarm Euch mal alle zurück: LG, Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180718 Mittwochmorgen: Zehn vor acht am Heim steht draußen meine gute Seele Elisabeth – heute durch den Wind. „Ich kann gar nicht klar denken.“ Also Kirschen, wie gestern gesagt, soll ich heute doch keine holen, sie hat gestern noch 2 Kilo Pflaumen bekommen. Alleine die zu Putzen war schon ein Akt… und das Wetter… alles voll von Gewitterfliegen… Ich tröste Elisabeth, Du, mir geht es grad nicht besser, seit Wochenanfang laufe ich selbst nur rum wie Falschgeld. Immerhin fällt ihr dann wieder ein, dass sie Tempotaschentücher braucht. Sie grübelt noch weiter und kommt nachher noch zu uns. Also weiter zu Mutti, die lächelt, als sie mich sieht. Ihr geht es gut, meint sie. In ihrem Zimmer ist es angenehm kühl – mit Abstand der beste Ort weitum bei diesem Wetter! Erstmal erzähl ich Mutti, dass ich heute das Gedicht mitgebracht hab, von dem ich gestern schon sprach: „Wenn Du magst, les ich Dir das nachher vor?!“ – „Ohja!“ und Mutti erinnert wieder, dass sie früher Gedichte von Theodor Storm auswendig gelernt haben. In der Schule. „Aber frag jetzt nicht, welches.“ Als ich das Frühstück anspreche, meint Mutti, ich könne mir gerne etwas zu essen holen, wenn ich Appetit habe. Dabei belass ich es und geh das Tablett holen, denn Mutti lächelt so entspannt. Heute mit Vanillepudding und Sahnehaube plus Milchsuppe in der Kumme. Während Mutti wie immer mit ihrem Brot anfängt, hole ich mal wieder das Blumen-Flaggschiff von Elisabeth auf den Tischwagen – Blumen giessen. Mutti entdeckt wieder die kleine Ziertaube und meint, die Taube sei so süß. Das freut mich, dass sie die so auch noch als Taube erkennen kann und schön findet. Dazu erzähle ich gemütlich nochmal die Geschichte, Geburtstag, ihr Alter, von Elisabeth und so die Stichpunkte, so beiläufig, während ich versuche, nicht den Tisch zu fluten, alldieweil ich vorsichtig Wasser in dieses „Holzboot-Kunstwerk“ kippe. Und wie auf Knopfdruck als ich grad das Blumenflaggschiff wieder zurück auf Muttis Wohnzimmertisch hab, kommt Elisabeth zu Besuch. Lacht Mutti an und grüßt fröhlich und Mutti lacht zurück. Bespricht mit mir kurz, was ich noch mitbringen möchte und verlässt uns dann lachend: „Dann schwing ich mal wieder meinen Arsch um die Kurve!“ – Mutti grinst wie ein Honigkuchenpferd, während Elisabeth mit ihrem hohen Gehwagen wieder nach draußen klappert. Das sind diese kleinen Momente, die so angenehm sind – Normalität! Als Mutti satt ist – nur das Brot, heute mal nichts an Nachspeise und ich den Tisch abgedeckt habe, kann ich ihr das schöne Gedicht von Theodor Storm vorlesen. „Abseits“. ( Hier zum Nachlesen, hatte Eva eingestellt: https://www.demenzforum.net/t7532p25-lied-gedicht-gebet-wunsch#164332). Der Titel sagt Mutti nichts, aber schon bei der ersten Zeile breitet sich ein Lächeln über ihr Gesicht und wird mit jeder Zeile inniger. Ich sehe beim Lesen, sie kennt das Gedicht und mag es! So schön!! Eva, wenn Du das hier liest: Dankeschön von ganzem Herzen, das war ein Treffer-versenkt! Morgens beim Ausdrucken habe ich gleich noch eine Kopie mehr ausgedruckt. Als ich nach neun weiter ins Dorf gehe, halte ich noch kurz im Speisesaal der dementen Bewohner und zeige das Sr. S. und Sr. Au. Frag, ob es auch was für sie wäre. Beide sind gleich ganz angetan. Wenn ich noch mehr dergl hab, darf ich auch mehr davon mitbringen! – Und bei der Gelegenheit erzählt mir Sr. S., dass sie es am Montag war, die Mutti nachmittags einen Becher Schokoladeneis gebracht hatte. Sie war SEHR von Mutti angetan. Mutti hätte so schön erzählt, dass Sr. S. länger geblieben ist, als geplant war und das Eis in ihrer Hand schon anfing zu schmelzen. Aber es hätte ihr so gut gefallen, Mutti hätte so angenehm erzählt. Und sie fragt nochmal nach, was Mutti früher noch so für Interessen gehabt hätte. Ich erzähl nochmal vom Handarbeiten und von der geliebten Gartenarbeit. Sr. S. meint, sie könne ja mal mit einem bestimmten Gartenbuch zu Mutti gehen. Ich freu mich total, Sr. S. hat den Draht zu Mutti und zu hören, wie schön dieser Montagnachmittag war – unbezahlbar! Sr. S. über Mutti: „Sie ist ja so eine Liebe. Sie verlangt auch nie etwas.“ Auch sie hat schon versucht, Mutti zu locken, mal mit nach draußen zu kommen. Keine Chance. – Jo, heute hab ich Mutti auch noch wieder gefragt, ob sie mit mir mal in den Garten möchte. Prompte Reaktion: Wackelpuddinggesicht. Das ist ein klares Nein. Mit Worten hat sie es dann auch noch gesagt. Jo, und dann ist das in Ordnung. Aber wunderschön zu hören, in welch guten Händen Mutti hier im Heim ist! Dann noch eingekauft, nochmal zu Mutti, der ich erzähle, welch guten Eindruck sie auf Sr. S. gemacht hat. *gg* Mutti loben … sie wehrt auch da gleich immer ab. Ich glaub, das nennt man Bescheidenheit! Aber gestrahlt hat sie doch, als ich sagte, wie stolz ich auf meine wundervolle Mammi bin. Und als ich sagte: „Ich hab Dich lieb!“ sagte sie: „Ich Dich auch.“ ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180719 Donnerstagmorgen: Zehn vor acht im Heim ist Sr. K. bei Mutti noch mit der Wäsche zugange: „Wir sind noch nicht ganz fertig!“ strahlt sie mir entgegen. Kein Problem, ich bin doch selbst nie ganz fertig, grüß ich fröhlich zurück. Mutti kommt mir heute still vor. Aber sie lächelt. Als Sr. K. dann fertig ist, setz ich mich auf den Rollator zu Mutti und erzähl, dass ich heute das Dreieckstuch mitgebracht hab. Aber Mutti bleibt matt und irgendwie auch teilnahmslos. Nickt aber, dass sie das Tuch wohl sehen will, aber sonst greift sie schon selbst nach den Sachen, die ich ihr zeige, heute lässt sie die Arme hängen. Aber Schmerzen hat sie auch nicht – liegt es an der Schon-Wieder-Dauer-Hitze? – Ich hab keine Ahnung und Mutti meint ja schon, dass sie das Tuch schön findet. Bloß darum geht es mir ja nicht, ich will ja nicht angeben oder so. Irgendwie hatte ich mehr die Hoffnung, mal wieder was Gehäkeltes löst bei ihr Erinnerungen aus, aber heute fühlt es sich so an, als würde ich mit ihr über Computerprogramme reden, zum einen Ohr rein und zum andern gleich wieder raus…. Im nächsten Moment kommt meine gute Seele Elisabeth zu uns und bittet noch mal um einen kleinen Einkauf. Dabei fällt mir dann auf, dass Mutti so mit offenem Mund und oberem Gebiss nach unten geklappt da liegt. Sie ist stark am schwächeln, ach Mutti, was kann ich nur tun? Aber sie freut sich über Elisabeths Besuch – sagt sie, alles sei in Ordnung. Geh ich erstmal das Frühstück holen, bei dem Mutti dann andauernd nach links wegsackt. Hat große Mühe, sich aufrecht zu halten. Meint aber, alles sei gut, nix tut weh: „Ach lass mich mal so liegen!“ Zwischendurch richte ich sie schon unter Vorwänden zweimal wieder auf, das dritte Mal, als unsere La. dazu kommt und auch von sich aus meint, Mutti würde da bestimmt unbequem liegen. Sie meint noch, das Kopfteil nur ein kleines Stück flacher stellen, das hilft dann auch noch. So steil war es gar nicht, aber der eine Zentimeter macht auch einen Unterschied, ich bedanke mich bei La. Auch als ich Mutti frage, wer denn das Gedichtband vorbeigebracht hätte ( ich seh gleich, eine Heim-Eigenfabrikation, mit Liebe fürs Detail hergestellt), weiß sie erst nicht. Dann meint sie, das wäre die, die mir auch schon vorgelesen hätte und gestern hätte der auch jemand vorgelesen. Schaut zum Fenster und fragt mich, wo der Fuchs denn herkommt. Das sind so Sekunden, wo innerlich und äußerliche Aggi sehr weit auseinanderliegen. Reicht aber, dass ich nur sag, ich sähe grad keinen Fuchs, da seh ich in Muttis Gesicht, das genügt. Viel getrunken zum Frühstück hat Mutti heute auch nicht, aber grad vorher noch bei Sr. K. das Wasser, um die Magentablette runterzuschlucken, vielleicht reicht das im Moment? Mehr als knapp das Brot – ach nee, doch auch vier, fünf Teelöffel Kirschquark, wo sie erst meinte, der wäre für mich. Inzwischen ist es neun Uhr und ich mein für mich, lass Mutti mal einen Moment ruhen, also eben ins Dorf. Heute bin ich sogar froh, für Elisabeth eine Fahrt zu machen, dann kann ich gleich nochmal schauen, wie es Mutti geht. Als ich aus dem Dorf wieder komme mit meinem Korb unterm Arm, kommt mir im Flur „mein Freund“ entgegen. Er ist mindestens drei Köpfe kleiner als ich und geht am Rollator. Sieht mich schon von weitem, fängt an zu strahlen: „Da bist Du ja!“ Geh ich also auch strahlend auf ihn zu, nehme wie immer seine Hand und er neigt seinen Kopf zu mir, flüstert: „Heiraten wir heute?“ Sag ich, wo er eh grad auf meinen Ehering schaut, ich bin doch schon verheiratet. Er zieht eine Schnute, denkt nach und fragt gleich weiter: „Mag Dein Mann mich wohl leiden?“ ( Ich könnte diesen Mann küssen!). Ich schlag vor: „Wir können doch die besten Freunde sein!“ – Nein, das ist nicht dasselbe. Ob ich denn nicht eine Schwester hab, die auch so Haar hat wie ich? – Keine Lüge, hab ich nicht, meine Schwestern sind blond… Und ich füg auch ehrlich hinzu: „Die taugen auch nichts.“ – Ob ich denn jemanden kenne, der genauso aussieht wie ich? Oder eine Zwillingsschwester habe? Also ehrlich, sag mir keiner, Demenz mache dumm! Vergesslich, ja. Dumm – oh nein! ^^ Wir einigen uns darauf, dass ich ja jeden Tag wiederkomme. Dazu einige Umarmungen, diesmal aber ich ihn, heute braucht er das und von irgendwo vom Flur ruft wer: "Oh, das wird gekuschelt!" ( Ich komme aus dem innerlichen Grinsen nicht mehr raus, bleib äusserlich aber den Umständen entsprechend ernst oder freundlich.) Und für mich ist wichtig zu erleben, dass er lächelt, als wir auseinander gehen! Und nachdem ich meine Einkäufe los geworden bin, weiter zu einer gutgelaunten Mutti. Ich biete ihr noch einmal Wasser zu trinken an, sie möchte aber nicht. Und mahnt mich zum Abschied, vorsichtig zu fahren. Doch noch ein Stück Normalität. Wie lange noch?
"Die Schäden einer Therapie dürfen nicht größer sein
als die Schäden der Krankheit." |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 20 Jul 2018, 05:34 © Belle | |
| Liebe Aggi! Deine Mutti macht wohl gerade eine Phase durch, in der sie besonders gerne Gedankenausflüge macht. Die macht sie ganz alleine und sie vertreiben ihr die Zeit. Möglicherweise hat sie deswegen auch nicht das Verlangen ihr Zimmer zu verlassen, weil sie doch hier alles hat was sie für sich braucht. Gute Bessserung für deinen Po! |
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