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| Gemeinsamkeit macht stark | |
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stellanne Ist hier Zuhause
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| Thema: Gemeinsamkeit macht stark Di 29 Okt 2013, 14:04 © stellanne | |
| Ich bin froh und fast glücklich, Euer Forum gefunden zu haben. Lange war ich auf der Suche danach, ob in Gruppen, die sich einmal im Monat treffen oder aber im Internet. Ich suchte lange, stets sporadisch, dann, wenn ich wieder ganz am Boden war. Doch im Oktober öffnete sich einfach die Seite, so, als hätte sie jemand für mich aufgeschlagen. Die vielen frohen Farben beeindruckten mich sofort und ich stöberte weiter und immer weiter. Ich liebe Farben! Nach einigem Lesen war für mich klar, dass und nur das ist meine Seite. Schicksale, wie ich sie selbst erlebte und immer noch erlebe. In der Nacht, während ich wieder einmal nicht zur Ruhe kommen konnte, dachte ich über Euch alle nach, diese unwegsamen Geschichten mit ihren ganz persönlichem Leid. Ich hatte Angst und dachte, wie können das die Frauen nur alles schaffen, eine jede einzelne von Euch! Auch wenn ich selbst eine `Betroffene ` bin, so gilt allen meine Hochachtung. Achtung auch davor, sich „preis zugeben“, damit andere mit ähnlichem Schicksal Leidfäden und Orientierung finden. Sich nicht allein gelassen fühlen. Manchmal erzähle ich meinen Kindern und meinem Mann von den Ähnlichkeiten der vielen Belastungen, der Trauer und des „Sichniederbeugens“ vor dieser Krankheit und ich denke an die Worte der damaligen Psychologin, die mich beiseite nahm und mir erklärte, wie man einem Kinde etwas erklärt, dass auch die Demenz das LEBEN bedeutet. Sie gehört in unsere Gesellschaft, genau wie andere Krankheiten. Ich musste an Petra denken, an die Ausbrüche der Mutter und ich erinnere mich an einem Adventsonntag vor 7 Jahren, meine Mutter mit ihrem Gezetere unser Frühstück zunichte machte und ich auf meinem Stuhl saß wie ein gescholtenes, böses Mädchen. Dabei ging es nur um Weihnachtsfiguren für unsere Krippe! Sie bestand wütend und arg gestikulierend darauf, das dieses und jenes ihr gehörte. Aber dem war nicht so, ich stand auf, um ihr die ihren zu zeigen und mit einem „ACH JA“, ging meine Mutter weiter ihrem Frühstück nach. Eigentlich konnte ich tun und machen was ich wollte, es war immer – aber auch immer falsch und wurde mit bösen Blicken unterstrichen. Das Schlimme war, es war niemand da, der zu mir stand, meine Kinder weit weg, alle weit weg und nur mein Mann trat mir bei solchen Eskapaden meiner Mutter auf die Füße, als Zeichen-------------sei doch still, lass sie doch! Das ging viele Jahre so und ich besuchte mit ihr mehrere Ärzte aber keiner diagnostizierte das eigentliche Übel - die Krankheit. Ein Defizit der Ärzte, die es sich mit ihren Diagnosen schnell einfach machen und Angehörige im Dunkeln stehen lassen. Immense Schuldgefühle des Angehörigen sind die Folge! Ich begleitete meine Mutter zum Augenarzt und Ohrenarzt. Sie nutzte ein Hörgerät und besaß zum Lesen eine Brille. Sie wurde bei diesen Ärzten auf`s gründlichste untersucht, ohne Ergebnis. Auf den Wegen heimwärts wetterte sie los, die Ärzte seien blöd und meschugge, sie wurde öffentlich sehr laut und drohte dem „OHRENMEISTER“ Dresche an! Ich schämte mich entsetzlich. Auf dem Weg nach Hause konnte ich vor Tränen die Straßen kaum erkennen, während meine Mutter kerzengerade neben mir saß, wie eine Gräfin. Ich kannte die Welt nicht mehr, war wild entschlossen, abzuhauen - aber----------wohin?! Sie konnte die Fernbedienungen nicht mehr bedienen und mindesten dreimal am Tag stellte ich ihr den Fernseher wieder ein. Meine Mutter war der Ansicht, der Augenarzt tauge noch weniger als der Ohrenarzt, sie könne nicht sehen aber auch gar nicht! Es wurde ein Termin ausgemacht bei einem Optiker und mein Glück war, das dieser Herr eine Zusatzausbildung für dementielle Störungen hatte. Nach den Untersuchungen sprach er mit mir um mir mitzuteilen, dass meine Mutter sehr wohl sehen und sicher auch hören kann aber der Kopf könne die Bilder nicht mehr umsetzen. Meinem idiotischen Lächeln folgte Erkennen und wie eine Wand, welche man weggerissen hatte, lichtete sich der Himmel und Erkenntnis dämmerte in meinem Hirn. Ich war über viele Jahre mit Blindheit geschlagen! Wie sagt man es einem Menschen, den man liebt, wie!? Alle ihre finanziellen Angelegenheiten erledigte sie alleine und so wurschtelte sie weiter und wir mit ihr. Mein Mann glaubte mir nicht, als ich die Aussagen des Optikers erwähnte – sie könne doch noch gut wischen und Pflaumen pflücken und so weiter und so weiter! Ich war so oft mit unseren Hunden draußen, heulte mit dem Himmel um die Wette und manchmal, wenn ältere Männer mir begegneten (hoffen auf meinen Vater?)schrie ich ganz laut – nimm mich mit – bitte, bitte – nimm mich mit! Stumme Schreie der Verzweiflung und oft saß ich am Wegesrand, konnte nicht laufen, Beine schwer wie Blei und nach Stunden schlich ich wie ein uraltes Weib heim. Vor 3 Jahren im Januar wurde meine Mutter vom Hausarzt ins KH eingewiesen, sie hatte immense Kotsteine und weiß der Geier, woher sie die vielen Abführmittel hatte, von mir nicht. Ich bin ein strikter Gegner von solchen Medikamenten! Im KH verweigerte sie sich den Ärzten, worauf ich vom Oberarzt in aller Dringlichkeit gebeten wurde, zu erscheinen. Bei dem Gespräch mit ihm kam ich mir vor wie eine Laus, zertreten ganz und gar. Ich wurde aufgefordert, umgehend mit meiner Mutter eine Vollmacht aufzusetzen, ansonsten könne sie nicht behandelt werden. Die Sozialarbeiterin half mir dabei weitgehend aber der Disput mit meiner Mutter blieb mir nicht erspart. Zum ersten Mal in meinem Leben stellte ich Forderungen und ich hätte mich anspucken können. Forderungen gegen meine Mutter, ich! Aber – es gibt Situationen im Leben, die nimmt uns niemand ab und ich dachte an verschiedene Sprüche, die wie wild gewordene Vögel in meinem Hirn geisterten. Hängen blieb ich bei dem – die Einsicht zu erlangen, dass manche Dinge nicht zu ändern sind und sie so zu nehmen, wie sie sind – ich sie nicht ändern kann, sie zu nehmen wie sie sind, die Gelassenheit, Dinge so zu nehmen, die ich nicht ändern kann! Nach einigen Minuten, welche mir wie Stunden vor kamen stellte ich sie vor die Wahl – entweder sie unterschreibe hier und jetzt im KH die Papiere oder aber ich werde es ablehnen, sie in irgendeiner Weise zu unterstützen. Es war ein kleiner Raum, indem meine Mutter und ich saßen, ich schwitzte so sehr, dass die Scheiben blind wurden. In meinen Gedanken deutete ich dieses Blindwerden wie blind sein, eingekerkert in der Hilflosigkeit meines Körpers, meiner Seele! Der Arzt schlug mir fast freundschaftlich auf die Schulter und meine Mutter wurde für alles weiter vorbereitet. Ich weiß, dass das Leben dem stetigen Wandel unterzogen ist, Veränderungen unterworfen, immer! Vom Kindsein zur Jugendzeit, weiter zum Erwachsenwerden und nicht aufhört, sich dem Wandel der Zeit zu beugen. Denke ich heute an mein Leben zurück, so war die Zeit mit meinen Kindern für mich die schönste und beste Zeit. Wenn alle fünf daheim waren, war mein Glück vollkommen. Es ist fatal, wie Anita schreibt, dass all der Kummer, das viele Leid und Nichtverstehen, sehr oft an den Frauen hängen bleibt. Sind es doch jene Jahre, in der sich die Frau körperlich und seelisch zurückzieht, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Vielleicht ist es gut so, haben wir keine Muße, über uns selbst nachzudenken, über irgendwelche Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen oder anderen Erscheinungen. Das wollte ich Euch mitteilen und möge jeder Tag ein Tag mit Zuversicht und Kraft vor uns stehen.
Stellanne --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.
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| | | Quintilia Ist hier Zuhause
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| | | | stellanne Ist hier Zuhause
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| | | | quid.novi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Di 29 Okt 2013, 20:41 © quid.novi | |
| Liebe Quintilia, ich bin auch der Meinung von Stellanne, wir haben es alle nicht leicht. Hier bekommst du Hilfe und Trost. Du darfst aber auch weinen, das gehört dazu Stellanne hat es nur lieb gemeint, und wollte dich trösten diese Forum hier hilft auch dir GLG mit Anita
("Augen AUF und durch" , denn mit "Augen zu und durch" ist einem nicht geholfen, man muss schon gucken, gegen welche Wand man rennt) |
| | | Rita Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 06:42 © Rita | |
| Liebe Stellane, du hast auch keine einfache "Geschichte". Diese verteufelte Krankheit Du hast recht, dieses Forum ist ein echtes Geschenk. Eine tolle Hilfe, und auch den andern Hilfe zu gehen (Einfach da sein für sie, zuhören, trösten) gibt auch wieder viel zurück. Es ist ein Geben und Nehmen, und eine tolle Freundschaft. Ich hab auch schon so manchen Sturm mit den Mädls (Und Jungs) hier durch gemacht, entweder meinen eigenen Sturm, oder der der Andern. Es ist einfach schön dass es sie gibt. Wie du sagst : Gemeinsamkeit macht stark. Wie wahr! Liebe Quintilla : weinen ist ok. Das ist absolut ok. Manchmal muss es einfach raus. Mir kommen auch schnell mal die Tränen in letzter Zeit. Man ist nicht immer gleich stark. Manchmal geht's einem näher als man denkt, und manchmal ist man stark und da kommen keine Tränen. Das gehört einfach dazu. Ist schon ok. Muss halt auch sein. Rita |
| | | dirtsa66 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 06:45 © dirtsa66 | |
| Liebe Stellanne,
ich glaube du hast vielen hier aus der Seele geschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich die schweren Zeiten ohne das Forum und alle di lieben menschen hier überstanden hätte.
Alles Liebe
Astrid
Anteilnehmende Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück - Marcus Tullius Cicero |
| | | jellyamber Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 07:01 © jellyamber | |
| Stellane, du kannst wunderbar schreiben. Deine Worte sind wie Bilder. Danke, dass du uns teilnehmen lässt.
LG Ute
"Und was die Jugend dalässt, ist ein Spiegel. Da guckt man rein und sieht: Man hat keine Eierschale mehr auf dem Kopf. Man hat jetzt eine Frisur."Martina Holzapfl |
| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 16:05 © Biggi | |
| Liebe Stellane, ich schliesse mich gerne unserer Jelly an, du schreibst wunderbar. Danke für deine Geschichte. LG Biggi
--- Besondere Menschen erkennst du daran, dass sie dich berühren ohne ihre Hände zu benutzen --- |
| | | Ann Ist hier Zuhause
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| | | | stellanne Ist hier Zuhause
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| | | | quid.novi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 18:47 © quid.novi | |
| Liebe Stellanne,
ich kann nachvollziehen, das du glücklich bist dieses Forum gefunden zu haben. Mir geht es genauso.
Du kannst wirklich wunderbar schreiben, da schließe ich mich Jelly/Ute und Biggi an.
Du bist, genauso wie alle Anderen lieben Foris hier, eine Bereicherung fürs Forum.
Das alles haben wir Ursula zu verdanken. Ihre schwere Zeit hat im Nachhinein so vielen geholfen.
Auch die Erlebnisse aller Anderen sind Impulse, Hilfestellung und Trost für uns. Den Admin-Helfern gebührt genauso viel Lob und Anerkennung.
Die Stütze gegenseitig jedoch ist für alle immens wichtig.
LG
Anita
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| | | stellanne Ist hier Zuhause
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| | | | quid.novi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 19:31 © quid.novi | |
| - "Schaffe dir ein Heim in dir selbst, so daß du gern bei dir bist und dich mit dir selbst wohlfühlst" schrieb:
Lieben Dank Wie wahr Ich arbeite dran
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| | | soda1964 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 30 Okt 2013, 21:39 © soda1964 | |
| Liebe Stellanne, danke für deine Zeilen, die mich gerade sehr berühren... Auch ich realisierte sehr lange nicht, dass unsere Nonna, meine Schwiegermama, an Demenz erkrankt war. Und auch ich war unsagbar froh, als ich dieses Forum hier fand Herzliche Grüsse
ThereseMan muss mit Allem rechnen - auch mit dem Guten.
Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Pearl s. Buck
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| | | stellanne Ist hier Zuhause
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| | | | stellanne Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 13 Nov 2013, 19:24 © stellanne | |
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Pessimisten sind Spezialisten in Schattenkunde bei Sonnenschein
Ich hänge dermaßen durch, dass kein Vergleich mir abenteuerlich erscheint, mich mit ihm zu messen, geschweige denn, einen passenden als solches zu finden.
Ich schrubbte neben Brot backen unser Badezimmer und mit jeder Ecke liebäugelte ich, mich genau da und dort niederzulassen. Ich versuche selbst, meinen heutigen Zustand auseinander zu klamüsern und am ehesten wäre die Beschreibung meines Gefühls in mir, mich wie ein zusammengefaltenes Stück Papier zu fühlen, ausgewickeltes Schokoladenpapier etwa, schmierig und verdorben, achtlos liegengelassen, nicht gebraucht und nicht mehr verwendbar. Alles aufgefressen, bis zum letzten Riegel! Oder ein hin gespucktes Kaugummi, völlig matschig und ausgekaut, zu nichts mehr nütze, nicht mehr, um den Atem zu erfrischen, weder die Kaumuskeln anzuregen, um neue Speichelflüssigkeit zu produzieren. Nichts. Einfach nichts. Ich gehöre mir nicht mehr, ich gehöre niemanden. Ich bin da und stehe zur Verfügung. Weiter nichts. Je mehr Zeit verstreicht in dem Zusammenleben mit meiner Mutter, um so weniger lebenswert wird der Tag, die einzelne Stunde, eine Woche, der Monat und das wiederkehrende neue Jahr. Ich trete meinen selbst errichteten Rückzug an, meine Kraft reicht nicht aus, alles von mir zu werfen. Ich kann nicht mehr schlafen und ich denke, ich werde nie wieder richtig gesund schlafen können. Ein Schlaf der Erholung und Befreiung!
Im vergangenen Jahr strickte ich für alle meine Enkelkinder Pullover, Hosen und Socken - in diesem Jahr hänge ich mit einer lumpigen Socke in der Ecke und mein Unfriede wächst, mein Unfriede steigt und manifestiert sich in einer Art und Weise, die erschreckend und fast unverschämt ist. Die Krankheit hat nicht nur meine Mutter im Griff, sie hängt sich an mein Genick und lässt einfach nicht los. Vor 2 Jahren fuhr ich noch regelmäßig bis nach Hamburg, zurück nach Dortmund und Koblenz, um alle meine Kinder und Kindeskinder zu besuchen. Mein Feld des Lebens wird beschnitten und eisern arbeitet der Tag daran, mir keine Höhenflüge zu erlauben.
War die Nacht einigermaßen erträglich für meine Mutter und somit auch für mich, beginnt der frühe Morgen mit einem Luftsprung aus dem Bett, war ich doch immer ein Frühaufsteher. Doch auch bei einer durchwachten Nacht hüpfe ich aus dem Bett, jetzt, bei der Jahreszeit, eile ich als erstes in den Flur, um Holzspäne zu holen, somit wird mir später das Holen erspart. Muss man doch Haushalten mit seiner Kraft! Ich trabe zurück ins Bad, der Korb mit den Spänen steht wartend vor der Küchentür. Ich wasche mich im Eiltempo, jeder Handgriff sitzt, da tausendfach geübt, die längste Zeit gehört meinen Haaren. Ordnung muss sein! Ab in die Küche, zuvor lasse ich die Hunde hinaus, dann ran ans Feuer machen. Ich nehme den Aschekasten und jage hinunter in den Keller, raus nach draußen und entledige mich der Asche des Vortages. Ich stapele Holz auf meine Unterarme und flitze die Stufen wieder hinauf. Die ersten Hunde kommen bereits wieder angetrabt und fordern Schwanzwedelnd Streicheleinheiten. Ich kraule jedem kurz den Hals und wünsche einen wunderschönen guten Morgen! Nebenbei wird der Ofen weiter angeheizt und ich horche auf das leise knisternde Feuer. Alle Türen und Fenster werden geöffnet und ich genieße die Frische der kühlen Luft, rufe meinem Gatten zu, AUFSTEHEN und jage ins Zimmer meiner Mutter, schleiche "fix" mit ihr zur Toilette, um sie frei für den Mann des Hauses zu machen. Ich schiebe sie wieder zurück ins Bett, meine Mutter, meine ich und flüstere ihr zu - ich hole dich gleich -! Ich schaue nach dem Feuer und stelle Kaffeewasser auf. Zwischendurch decke ich den Tisch, schleppe den SAUGstauber heran und sauge die Küche mit anschließender Terrasse frei von jeglichem Hundehaar. Ich renne hierhin und dorthin, schließe die Türen und Fenster, auch jene bei den Hunden. Die Tür geht auf und herein spaziert gut gelaunt das Herrchen der Hundchen, während ich selbst bereits schon wieder reif für ein Päuschen bin. Das Frühstück meiner Mutter wird vorbereitet, Schnittchen schmieren und Trinken bereitstellen, Kaffee kochen, Brot schneiden. Abermals flitze ich zurück ins Zimmer meiner Mutter, setze sie, da wieder aufgestanden, auf`s Bett, krame ihre Klamotten zusammen und trabe mit ihr gemeinsam ins Bad. Meistens ist sie sehr unleidlich, lässt sich fallen oder sehnt eine kleine Primadonna Ohnmacht herbei. Ich stütze sie mit dem linken Arm, auf meinem Unterarm ruht ihr Kopf, während ich mit der freien Hand das Wasser zubereite. Ich streife das Nachthemd herunter, reiche ihr einen Lappen und manchmal zieht sie ihn durch`s Nass, während es auch durchaus Tage gibt, an denen sie ihn glatt hinter sich wirft. Ich höre es dann klatschen, schau kurz zum angewiederten Lappen hin und beginne, sie zu waschen. Ich höre sie murmeln - es ist kalt, es ist nass und ich antworte geflissentlich mit einer Ruhe, die mich selbst befremdet - aber ja, schau, wir sind gleich fertig, ich mache dich wieder trocken, warte, ich beeile mich ganz doll -! Währenddessen beginnt sie zu weinen, oder zu fluchen oder stellt sich einfach stur und versteift sich, so dass ich jeden Arm und jedes Bein mit Mühe erst anheben muss. Kein Tag gleicht dem anderen, nicht mal zwei Tage ähneln sich in dieser Prozedur. Es gibt Tage, da lässt sie sich gut anziehen, macht mit oder aber nicht, hält auf jeden Fall nicht dagegen, doch es gibt Tage, da wird um jedes Kleidungsstück gerungen, oder sie stößt die Arme so geschwind und wuchtig von sich, daß das sichere Treffen eines Ärmels schon im voraus unmöglich wird. -- Ich schleppe sie gestriegelt und frisiert in die Küche, sie weint immer noch oder schon wieder, setze sie an den Küchentisch und gebe flugs ein Stückchen Brot in ihren Mund. Augenblicklich verstummt sie erst einmal, kaut, während die Tränen versiegen. Manchmal geht alles gut aber wie immer im Leben muss auch ich mich regelmäßig mit dem Unvorhergesehen befassen.
Auf Dauer wird das eigene Leben zur Qual! Auch wenn sie zur Tagespflege abgeholt wird, bin ich am Morgen und nach dem Frühstück, welches sie stets mit uns einnimmt, reif für „- alle Viere von mir strecken -“ Nichts sehen und nichts hören!
Im nächsten Monat wird sie 4 Tage in der Woche zur Tagespflege gehen, doch der Morgen und auch der Abend haften an mir wie ein unansehnlicher Pickel. Mitten im Gesicht! Ich mag ihn nicht mehr, ich will wieder in ausgeruhte Augen schauen und mir zu lächeln. ---------------Denn ich liebe das Leben! Am Samstag wollten mein Mann und ich Holz machen und wie um dem Haushalt zu entfliehen, bin ich bei solchen Arbeiten immer bereit und sehne dem Tag entgegen. Ich mag es, schwer zu schuften und die Muskeln vor Anspannung beben zu fühlen. Immer noch! Heute wie früher. Meine Mutter sollte in ihrem bequemen Rollstuhl Platz nehmen, doch wie immer im Leben denkt der eine und der andere handelt. Meine Mutter sträubte sich vehement, so, als wollte ich sie Gott weiß wo hinsetzen. Mit brachialischer Gewalt wäre es notfalls etwas geworden, doch-------------ich bin ja lieb, so lieb, dass ich mich selbst nicht mehr anschauen mag! Sie hatte gesiegt, wie immer und ich war die Verliererin, auch wie immer. Ich sah meinem Mann vom Balkonfenster aus zu und Sehnsucht nach draußen packte mich grenzenlos. Wie früher als Kind, wenn Stubenarrest angesagt war und die Kinder draußen hinter den Gardinen beobachtete wurden! Meine Mutter sah ebenfalls hinaus aber wie viel sie davon mitbekam, weiß ich nicht und, es juckte mich auch nicht. Das Leben formt den Menschen, wir sind einer ständigen Konfrontation des Lebens ausgesetzt, dass von dem eigentlichen ICH nicht mehr viel bleibt. Ich sah meinem Mann lange zu, unfähig, im Haushalt oder dies und das zu verrichten. Ich war wie leblos und sah die Nachbarn, welche sich mit ihm unterhielten und in mir rief stumm meine Stimme, ---HALLO; ICH WILL AUCH REDEN UND LACHEN---------------hallo, ich bin auch da----------es wurde leiser und leiser in mir, bis zum Verstummen.--------------- Schluss, alle Lichter ausgeschalten, keinen Schritt vor und keinen zurück, mitgefangen und mitgehangen!
Montag ging ich zur Nachbarin hinüber und gab ihr die DVD vom Film – Leben, Lieben, Vergessen – und schnell ein paar Wortfetzen über die Mutter und Holz und – Dich sieht man ja gar nicht mehr – und in meinem Drang zu reden, sprudelten bei mir nur die Worte so hervor, ohne Punkt und Komma, als sei ich auf der Flucht und mein Peiniger mir auf den Fersen. Ein Wort gab das andere und diese Frau meinte schließlich, ich würde meine Ehe auf`s Spiel setzen. Wenn ich weiter so zu leben gedächte, würde mein Mann bald das Weite suchen. Meine Antwort darauf – wenn er meine Mutter mitnimmt – drehe mich um und gehe!
Wohl dem, der da geträumt hat!!! Ich sehe mich diese Frau anlächeln, dem Wahn so nah und dem Leben so fern, steige ins Auto und fahre mit meinen geliebten Vierbeinern hinaus in den Wald. Es gibt für nichts eine Garantie im Leben und erst recht nicht für Menschen. Was geschieht, das geschieht. Meine älteste Schwester würde sagen – „wer nicht kommt, klappt nicht mit der Türe!“
Es gibt Milliarden Sterne im Himmelsraum und wie man weiß, mindesten so viele Menschen auf dieser Welt. Welcher Stern ist meiner? Welcher gehört mir?
Hat die Nachbarin einen Stern als Verbündeten der ihr das Recht gibt, so mit mir so zu reden?! Wissen die Menschen oder erahnen sie nur einen Millimeter breit die Leben, die sich vor ihnen im Dreck suhlen – das Leid in der Angst oder im Versagen, in der Hoffnungslosigkeit und Trauer, im Denken und Fühlen? In der Verzweiflung?
Arme Seelen entrückter Menschen gibt es, die nicht glauben können, ja, sich nicht einmal die Mühe machen zu ergründen, wie verschieden Menschen und deren Schicksale sind, die neben weiß und schwarz nicht wissen, wie bunt unsere Welt ist und die mit ihr darauf lebenden Menschen und Tiere. Ich denke fast, sie triumphieren in ihrer eigenen Vollkommenheit, der man nichts mehr hinzufügen braucht und nichts mehr hinweg nehmen kann. Es gibt Menschen, die reden viel und sagen nichts. Worte und Sätze, denen man nichts abgewinnen kann. Leere Luft, Luftblasen - BlaBla!
Ein jeder von uns hat seine dunkle Seite und die meisten unter uns verschmähen den Blick in den Spiegel der Wahrheit.
Morgen steht ein schwerer Tag für uns an. Einer unserer Hunde wird an der Cauda equina operiert. Ich hoffe und wünsche mir, alles geht gut!
Die Liebe ist wie der Wind ! In der Jugend stürmisch und ändert leicht die Richtung! Mit 20 ist sie heiß, wie ein Azorenhoch.,Man glaubt, es würde nie zu Ende gehen! Mit 30 träumen viele vom Passat ,dem ewigen Rückenwind,doch nur wenige erreichen ihn. Meist ist man enttäuscht und froh, wenn nur einige gewitterige Störungen eintreten. Das reinigt die Luft und bringt wieder Fahrt ins Schiff! Nur wenige auserwählte erreichen den Passat, in dem sie im Leben vorwärts kommen. Den meisten weht der Wind ins Gesicht ! Nur wenige können kreuzen! Sie fallen ab, verlieren das große Ziel aus den Augen ! Mit 50 wird man wird bescheidener: ANKOMMEN heißt nur noch die Devise ! Nur wer die Kreuzungen liebt,wird sein Ziel erreichen! Auch wenn es Schlag auf Schlag kommt----------einmal wird man siegen !
Schaun wir mal!
Stellanne --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.
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| | | quid.novi Ist hier Zuhause
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| | | | Quintilia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 13 Nov 2013, 21:58 © Quintilia | |
| Liebe, gute, großartige Stellane,
So ausgesprochen selten gibst Du etwas von Deinem Paket preis, so oft hilfst Du anderen hier das ihrige zu tragen.
Wie schlimm muss Dein Tag für Dich gewesen sein, dass Du diese Zeilen mit uns teilst! Wie es aus Dir heraussprudelt.... Keine leichte Lektüre. Ich bin tief berührt und sehr betroffen. Heute hast Du uns teilhaben lassen, hast das Furunkel mal geöffnet. Ich kann nur hoffen, dass es Dir Erleichterung verschafft hat.
Liebe, geschätzte Stellane, nur ganz sacht eine Frage in die Nacht hinein - hoffentlich weckt sie dich nicht und du schläfst gerade tief und fest und erholsam - Es braucht auch keine öffentliche Antwort. Nur, weil ich mich so sehr in Dir erkenne, weil ich mich so sehr vor dem fürchte, was Du beschreibst, weil es das ist, was mein schlimmster Albtraum ist für die nächsten Jahre mit Mutter. Stellane, was würdest Du MIR antworten, wenn ich fragen würde:
Was spricht gegen ein Heim?
Oder anders formuliert: Muss ich mich tatsächlich aufopfern bis nichts mehr von mir bleibt?
Musst Du das, liebe Stellane?
Liebe Grüße
Petra |
| | | Silvi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 13 Nov 2013, 22:16 © Silvi | |
| Liebe Stellane , ich hab gerade Tränen in den Augen ! Wie du dich gerade fühlst , das kenne ich auch , habe es selbst schon mal so erlebt !
Ich weiß wie schwer es ist , soll man , ich , du , ausbrechen , hinschmeißen , weg, einfach nur weg !
Ich weiß nicht was ich dir Raten soll !?
Deine Nachbarin , die meinte du würdest deine Ehe aufs Spiel setzen , naja , ärgere dich nicht drüber !
Wie sieht denn dein Mann das ganze ? Sieht er wie sehr du leidest ? Bekommt er mit wie sehr du dein Leben vermisst ?
Wie steht er zu der ganze Pflege deiner Mutter ? Hilft er dir , unterstützt er dich ? Hast du schon mal mit ihm darüber gesprochen , wie es dir geht wie du dich fühlst ?
Wie es ihm geht ? Wie er sich fühlt ? Ob er dich , die Frau aus dem alten Leben vermisst?
Es tut mir so leid , weil ich genau weiß was gerade in dir vorgeht !
Ich Drücke dich ganz Dolle , bin in Gedanken bei dir , schicke dir ganz viel Kraft !
Ich wäre jetzt gern bei dir , reden , heulen , in Arm nehmen !
Alles liebe Silvi |
| | | Silvi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Mi 13 Nov 2013, 22:23 © Silvi | |
| Liebe Stellane , liebe Petra !
Ich habe die Frage nicht stellen wollen , habe mich nicht getraut !
Aber vielleicht hast du sie zwischen den Zeilen erkennen können !
Ich habe durch die Pflege damals nicht nur mich selbst verloren , was viel schlimmer ist meinen jüngsten Sohn !
Er läßt es mich heute fühlen , nicht bewußt , vielleicht !
Das ist für mich kaum auszuhalten !
Deshalb überlege und sprich mit deinem Mann !
Alles liebe Silvi |
| | | dirtsa66 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Do 14 Nov 2013, 07:51 © dirtsa66 | |
| Liebe Stellanne, ich erkenne in dem was du schreibst so vieles von mir wieder - ich habe zwar keinen Mann und keine Kinder, aber voriges Jahr als Mama noch bei mir zuhause war hatte ich genau dieses Gefühl: mich und mein Leben gibt es gar nicht mehr. Die Arbeit und Mama, da blieb nichts mehr ausser Verzweiflung und dem Gefühl mich irgendwo hinsetzen zu wollen und es um mich dunkel werden zu lassen. Es war wie ein Abgrund vor mir - ich verstehe dich so gut. aber erst als ich ganz ganz am Boden war konnte ich den Gedanken zulassen, dass wir es vielleicht doch nicht schaffen. Liebe Stellanne Alles Liebe Astrid
Anteilnehmende Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück - Marcus Tullius Cicero |
| | | Admin Administrator
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Do 14 Nov 2013, 09:59 © Admin | |
| Liebe Stellanne Mich haben deine Zeilen sehr berührt und ja, auch ich finde mich darin wieder. Auch ich weiss wie schnell es nicht mehr um die Frage geht, was möchte ich, was ist eigentlich mein eigenes Leben......wer bin ich und was tue ich....Bei mir ging es mal soweit das ich bis und mit daran dachte mich einfach Auszulöschen, wären da nicht mir liebe Menschen gewesen, denen ich dadurch lediglich die Höllenqualen übertragen hätte, was ich nicht konnte und wollte. Denn die Verantwortung für mein Leben und meine Entscheidungen trage ich selber, mit der ganzen damit verbundenen Konsequenz. Ich weiss leider auch wie schnell unser Leben von unseren Lieben bestimmt wird und das in allen Ebenen. Wie wir durchgezwirbelt werden und dies in einem Trott der dennoch Unausweichlich erscheint. Vorbestimmt? Was auch immer, so bleibt es ein Fakt das egal was uns erreicht, unser Leben bestimmt und ganz klar durchgerüttelt wird, uns zu einer Entscheidung drängt, im Bewusstsein das alles immer nur ein Lebensabschnitt ist zu dem wir entweder mit einem JA oder NEIN antworten und der Tatsache des uns so bekannten - wer dabei A sagt auch B sagen muss bleibt. Nichts dauert Ewig, selbst die schwersten Lebensabschnitte nicht. An diese Tatsache hatte ich mich damals geklammert und sie gab mir schlussendlich mehr Kraft als was ich damals gedacht hätte..... Die geäusserten Bedenken deiner Nachbarin sind leider nicht ohne Hand und Fuss. Ich denke das weisst du auch. Denn niemand kann endlos zwischen den Fronten im Spagat stehen bleiben, ohne den zweiten Fuss irgendwann entweder in die eine oder andere Richtung nach zu ziehen. Unser Umfeld leidet unweigerlich mit, auch wenn es dies nicht nach unserem Wunsch tut. Und selber kommt man an einen Punkt wo man sich fragen muss, wieweit machen die Konsequenzen meines Tuns wirklich Sinn und wieweit bin ich bereit dafür auch zu gehen. Egal was wir auch tun, wir werden nie "alles" haben können. Diese Tatsache zwingt uns zu Entscheidungen, wo wir uns dennoch immer wieder sehr stark wünschen würden, das sich diese ohne unser Zutun und ohne unsere Verantwortung von selbst erledigen täte. Nur selten tut es das aber von selbst und so bleibt jegliche Entscheidung mit deren Folgen unweigerlich auch an uns hängen. Meist geht es dabei leider auch nicht um die Wahl zwischen Gut und Böse, sondern viel gemeiner, um die Wahl des kleineren oder grössen Übels, oder gar zwischen "Lepra" und "Cholera". Dessen muss man sich, ob man will oder nicht, ganz klar bewusst sein um das Beste aus jedem "Übel" machen zu können und für uns den Werdegang nicht einfach durch illusorische Hoffnung, bis hin zum totalen Crash schleifen zu lassen. Nicht die Anderen könnten....sondern unser eigenes Tun hat Folgen zu denen wir entweder ein JA oder NEIN haben müssen und wir dabei ob Angenehm oder Unangenehm auch die Folgen tragen müssen. Das ist aus meiner Sicht die Realität unseres Lebens. Die Fragen der lieben Vorschreiberinnen hier haben nicht nur Hand und Fuss, sondern treffen den Nagel auf den Kopf. Auch wenn es für dich zur Zeit noch unlösbar erscheint. Bei mir wusste ich trotz Tränen und der verzweifelten Einsicht, das meine Kräfte leider nicht so weit reichten, wie ich es mir gewünscht hatte. Trotz das meine Entscheidung unseren Erik schlussendlich doch in ein Heim zu geben zur einzigen Lösung wurde, so hörte mein Leiden nicht auf, aber es wurde anders und langfristig gesehen, hatte es mir das Leben gerettet - wenn auch zu einem hohen emotionalen Preis. Die Tatsache das unser Erik der mich von Herzen lieb hatte, nicht gewollt hätte, das ich durch ihn ins soziale Aus geraten würde, war für mich damals der einzige, aber nicht unwichtiger Trost. Oft hatte ich mich schlussendlich an Aussagen von ihm geklammert wo er mir noch geben konnte, als er noch über den Tellerrand schauen konnte. Aus Herzen bin ich ihm heute noch dankbar dafür, auch wenn die Zeit als dies für ihn nicht mehr möglich war, mir oft mein Herz zerrissen hatte..... Alles hat seine Zeit liebe Stellanne, aber von etwas mir ganz wichtig gewordenen bin ich Heute überzeugt. Niemand von unseren Angehörigen, wo uns wirklich lieb hat, möchte das wir dabei selber so auf der Strecke bleiben das es zum persönlichen Totalkonkurs führt. Und wenn es sich um Angehörige handelt denen das eigene Wohlbefinden schon immer wichtiger war, als das ihrer eigenen Kinder. Dann gibt es für deren Kinder auch keinen Grund sich desswegen kaputt zu machen, sondern darf sich auch berechtigt gesagt werden, das irgendwann die eigene Lebensstrategie einen Jeden einholen wird. Ich wünsche dir liebe Stellanne ganz viel Kraft im Unterscheiden zwischen Sinn und Unsinn, sowie der Einsicht wo das eine aufhört und das andere anfängt. Ich hoffe das du es besser machen wirst als was ich es getan habe. Aber vor allem wünsche ich mir für dich viele gute Gespräche mit deinen Lieben und eine gemeinsame Lösung mit der ihr alle auch im Danach weiter leben könnt. Fühle dich dabei ganz lieb Umarmt von einer Ursula, die zu gut weiss wie schwer das ist, aber dennoch als gaaaaanz wichtig anschaut
Liebe Grüsse
"Trauer ist ein Teil des Lebens, aber sie darf nicht das ganze Leben werden." |
| | | stellanne Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Do 14 Nov 2013, 11:53 © stellanne | |
| Ach mein Gott, liebe Ursula, ich weine, weine und kann nicht mehr aufhören. Soviel Leid, nicht aus sich selbst, sondern durch Mitmenschen, die wir lieben.
Danke, herzlichen Dank für Deine Worte, die ich mir sicher ein zweites Mal zu Gemüte führen muß, um sie richtig in meinem Kopf zu hämmern.
Wenn ich im Zimmer meiner Mutter stehe, ihren Atem höre, überkommt mich so eine große Welle der Liebe, dass ich schier zerbrechen könnte. Hass und Liebe sind so dicht beisammen - mir wird ganz schlecht dabei.
Alles wird gut, wenn nicht heute, so morgen!
Danke!
Stellanne --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Do 14 Nov 2013, 13:27 © stellanne | |
| Erst möchte Euch danken für Eure Anteilnahme und während ich hier sitze und schreibe, die Tastatur kaum vor Tränen sehen kann,------------ich glaube, ich muß mir ein Bettlaken holen, um diese Rinnsale zu trocknen. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Ballon, als hätte ich gestern zuviel "GESOFFEN", mir ist kalt --und dennoch weiß ich heute und erst recht nachdem ich Eure Zeilen las, es wird gut werden. Ich muß mich nur gehörig auf die Füße treten. Ein anderer wird das nicht tun. Ursula hat vollkommen Recht! Liebe Petra, ich flüster Dir ganz leise zu - wenn ich heute DU wäre und ICH heute ICH, mit all dem Wissen, mit all den schlaflosen Nächten und Tränen, mit der Ungewißheit der Krankheit des Angehörigen, den Verzicht auf meine Kinder, Verzicht auf all das, was jedem einzelnen Menschen Freude bereitet, wenn ich HEUTE wüßte, was ich HEUTE weiß, meiner Mutter würde ich einen netten Platz im Heim suchen. Warte nicht so lange, denn jeder Tag zählt! Wir haben hier im Ort ein wunderschönes kleines Heim, in dem sie zur Tagespflege geht, gute Kontakte zum Pfelgepersonal hat ein jeder der Angehörigen und ich brauche nur die Papiere endlich fertig machen. Es leben ausschließlich Menschen mit Demenz dort. Ich hasse mich manchmal und die damit verbundene Inkonsequenz. Während ich hier die Wörter tippe, schmerzt mein Herz aber ich weiß auch, dass meine Zeit verstreicht, die Zeit meiner Kinder und Enkel. Und das meines Mannes. Liebe Silvi-----------------------das mit Deinem Sohn treibt alles in mich hinein, was nicht dahin gehört. Kein Wort wäre imstande, GUT zu sein und ich denke, es gibt nichts entsetzlicheres für eine Mutter, das Kind zu verlieren. Ich habe keine Worte und ohne Dich zu kennen, streiche ich Dir über`s Haar! Mein Mann hatte immer ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Sie konnten lachen und Witze machen und wie ich schon einmal schrieb, gab es irgendwelche Ungereimheiten, war ich die DRITTE im Bunde. Ich war immer die Böse und eigentlich war ich stets mich nur am verteidigen. Meinem Mann gegenüber und meiner Mutter! Heute ist das anders und die damalige Ärztin sprach mit meinem Mann. - Nicht ihre Frau hat Schuld, sondern die Schwiegermutter ist krank! - Oft denke ich, er ist sich nicht bewußt, wie kaputt ich bin, oder er will es nicht sehen, nicht wahrhaben! Er ist ein lieber Mensch und dennoch würde er eher mich maßregeln als meiner Mutter zu sagen - jetzt ist aber mal genug - und ich weiß doch aus dem Heim, wie die Generation meiner Mutter noch auf Männer oder auf Ärzte wirkt! Da sind sie dann still, klimpern weinerlich mit den Augen ----aber es klappt. Er, mein Mann sagt, - du musst wissen, wann es genug ist - ! Ich antworte - aber wenn ich doch nicht weiß, wann gut ist? Hilf mir doch bitte! Ja, dann kommt der nächste Tag, er ist vielleicht wieder für einige Tage am anderen Ende Deutschlands und so geht dieser Mühlengang weiter - und immer weiter! Wenn ich Rat geben sollte, bis zu einem gewissen Stadium des zu Pflegenden - ok - , aber wenn er nicht mehr weiß, wer du eigentlich bist, dann-------- wir sehen uns wieder im Paradies - zu sagen. Ja------ich rate jedem zu einem guten Heim. Ich rate auch mir dazu. Für meine Mutter bin ich schon ewig lange - meine Mutti, die Mutti, das Muttilein, sofern sie nett ist - ! Wie Ursula schreibt, ich trage die Verantwortung auch für mein Leben, mit jeder Konsequenz. Wir alle tun das! Jede Sekunde sterben Menschen, vielleicht geniale Menschen, oder Menschen voller Liebe und Güte und Witz und Humor, jene, die eine große Bereicherung auch für andere sind. Was nützt die eigene Genialität, wenn sie nicht gelebt wird? Nicht gelebt werden kann?! Sie ausgeblendet wird über vielleicht viele Jahre! All das, was gerne jeder einzelne tut, verschüttet wird! Ich denke und glaube, am Ende kommt dann immer das Ende von sich selbst. Die Fähigkeiten, welche uns das Leben mit gab sind dahin, verdorrt wie welke Blätter und flattern dahin. Ich spielte auch mal Gitarre, heute kann ich kaum die Seiten zupfen, als hätte ich zwei linke Hände. Ich habe gemalt mit Ölfarben und gezeichnet. Alle meine Kinder malte ich und deren Kinder! Es ist nichts mehr da, alles ausgelöscht. Mit einem Radiergummi weggeratscht, man sieht nur noch Schatten. UND wisst Ihr was? Das ist nicht das Leben und man sagt doch, man solle nicht das eigene Leben für das eines anderen opfern! Mit Ausnahmen, versteht sich und für jedes meiner Kinder hätte ich mich in Scheiben schneiden lassen. ---------Ganz dünne! Ich umarme Euch alle für Eure Worte und Petra, ich war und bin schon immer ein Einzelgänger gewesen. Aber das heißt nicht, dass mich andere Menschen nicht interessieren. Ganz im Gegenteil! Ich mag Menschen. Ich konnte nie gut über mich selber reden, dass habe ich jetzt erst erlernt. Ich denke, dass hat mit meiner Kindheit zu tun, die frühe Prägung, welche nichts - aber auch gar nichts vergißt! Wenn ich eines mit Gründlichkeit gelernt habe, dann SCHWEIGEN LG
Stellanne --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.
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| Thema: Re: Gemeinsamkeit macht stark Do 14 Nov 2013, 15:11 © Quintilia | |
| Meine liebe Stellane, ich weine mit Dir und leide mit Dir, weil wir uns so ähnlich sind!
Ursula hat es so wunderbar geschrieben, Astrid auch... Und Du weißt es längst. Sie hatten liebende Beziehungen ....
Vielleicht ist es das - was ich so als Ähnlichkeit empfinde zwischen uns: Kämpfen wir beide bis zur absoluten Selbstaufgabe bis zum allerletzten Tag um die Liebe der Mutter? Und Du hast sie jetzt - wenigstens manchmal, wenn sie nett ist? Oder wenigstens Anerkennung...? Trotzig erkämpft? Und diesen Preis zahlst du? Obwohl Du längst insolvent bist? Ich habe solche Angst, dass ich das auch tue, wenn es einmal so weit ist! Verzeih, wenn das ein zu gewagter Vorstoß in Dein Innerstes ist, liebe Stellane.
Ich kann mit Dir weinen, liebe Stellane. Und ich tus. Und doch musst du das zweite Bein selber hinterherziehn, wie Ursula das so schön geschrieben hat. Man kann dir verschiedene Richtungen zeigen, wenn die Augen vor Tränen so blind sind. Aber einen Fuß vor den anderen setzen, liebe Stellane, das musst du selber! Leider!
Eins noch: Sei gewiss: Nichts ist ausradiert. Es ist alles noch da. In einem kleinen, schön beschlagenen Schatzkästchen ruht es auf dunkelblauem Samt ganz friedlich und sicher, bist du es wieder herausnehmen magst. Jetzt, ein wenig später oder viel später. Keine Bange.
Liebe, mitfühlende Grüße
Petra |
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