Hallo Ihr Lieben,

seit einigen Tagen fragt Schwiegervater immer wieder
nach seiner Frau, die sich jedoch schon vor vier
Jahren umgebracht hat.
Er fragt, ob sie bei uns sei,
sagt, sie sei ihm weggelaufen, sie sei nicht da,
ob wir wissen, wo sie stecke...er mache sich Sorgen...
sie hätten doch noch so nett miteinander gefrühstückt...

Innerhalb von Minuten spricht er es immer wieder
auf den Anrufbeantworter, wenn wir nicht zu hause sind.
Sogar innerhalb eines einzigen Telefongesprächs
kommen 4, 5, 6mal solche Fragen.

Wir erklären ihm schon, dass sie gestorben ist.
Das scheint jedoch gar nicht richtig in ihn einzudringen.
Nach kurzem, jovialem: "Ja, natüüürlich. Mein Gott, euer Vater spinnt."
geht es unverzüglich mit den Fragen weiter - wie gehabt.

Dass er das Grab nicht findet, ist schon lange Fakt.
Dass er uns fragt, ob sie eigentlich 52 gestorben ist
(oder so), haben wir auch schon oft erlebt.
Dass er sie nun für verschwunden hält
(ebenso anhaltend wie konsequent), ist neu.

Heute treffen (wie jeden Sonntag) beim Mittagessen
und Kaffeetrinken Mutter und Schwiegervater
aufeinander.
Die Reaktion meiner Mutter ist
ebenso eindeutig wie problematisch:
In seinem Beisein schimpft sie laut über ihn:
"Der soll nicht so rumspinnen, also sowas,
was soll das. Was bildet der sich denn ein."
Ihre Verwirrtheit äußert sich völlig anders
als die des Schwiegervaters und sie weiß genau,
dass ihr eigener Mann und die Schwiegermutter
nicht mehr leben. Sie hat null Verständnis für
den armen Schwiegervater und auch kein
Erbarmen. Empathie ist ihr gänzlich abhanden
gekommen.

Wie so oft, so sehe ich auch heute dem
"Familiensonntag" mit innerer Anspannung entgehen...

Euch allen einen schönen Tag
und vielen Dank für Erfahrungsberichte und Rat!
Liebe Grüße
Stella

Hi Stella,

das ist echt eine vertrackte Sache! Dass dein Schwiegervater mit dem Erinnert werden an das Verstorben sein deiner Schwiegermutter so "jovial" umgeht,
ist gelinde gesagt, gut. Aber es zeigt auch, dass die Information nicht weiter vordringt. Wie sollte sie auch. Demenzkranke können i.d.R.
wenig bis gar nichts mehr dazu "aufnehmen".

Dieses Hängen bleiben auf einer Spur - kenne ich in anderen Zusammenhängen mit meiner Ma. Gottseidank, hat sich dass irgendwann
mal verlaufen, aber es sind schon lange und hartnäckige Phasen.
Ich bin mir unsicher, ob es deinem Schwiegervater helfen würde, ein paar Bilderrahmen mit Bildern deiner Ma aufzuhängen inkl. einem Foto von ihrem Grab.
Das ist sicherlich nicht morbide, vielleicht als kleine Gedächtnisstütze quasi im Vorbeigehen und in der Nähe seines Telefons.

Dein Beitrag hat mich sehr nachdenklich gemacht...

LG
Jelly

Liebe Stella,
das gleiche haben wir damals mit unserer Mutter erlebt. Ihr Mann war schon lange tot. Sie hat eine Zeit lang fast täglich auf ihn gewartet. Sogar essen gekocht und Aufschnittplatten gemacht, weil er ja gleich käme...

Wir haben es so gehandhabt, dass wir sie in dem Glauben liessen. Wenn wir sagten, er ist tot, ist sie fast zusammengebrochen und hat fürchterlich geweint. Das ging gar nicht.
Also haben wir uns immer wieder Notlügen ausgedacht, wo er gerade ist, und dann erst später nach hause kommt. Unser Glück dabei war, dass sie es Gott sei Dank später wieder vergessen hat.

Ist wahrscheinlich bei jedem anders zu handhaben, aber ich würde nicht immer sagen, dass sie tot ist. Für ihn lebt sie in diesem Moment noch, so dass er das gar nicht begreifen würde.

Solange diese Phase anhält, würde ich vielleicht auch mal versuchen, die Bilder zu entfernen, damit er nicht immer damit konfrontiert wird und sie immer wieder erneut vermisst. Wie gesagt, schauen, wie er darauf reagiert. Uns hat es damals durch diese Phase geholfen.

Vielleicht hilft es ja, wenn ihr diese Familiennachmittage getrennt durchführt. Ein mal Schvater und das andere Mal deine Mutter.

LG Biggi, die hofft, dass ihr eine Lösung finden werdet

Guten Abend, Ihr Lieben,

der heutige "Familientag" verlief erfreulich glatt,
obwohl Schwiegervater wieder mehrmals fragte,
wo bloß seine (verstorbene) Frau stecken könnte.

Mein Mann erklärte ihm immer wieder,
dass sie seit vier Jahren schon tot ist
und wurde dabei unterschwellig
zusehends ärgerlicher und vorwurfsvoller.

Nach dem Lesen Eurer Beiträge

bin ich nun hin- und hergerissen.

Zwei Fotos - Schwiegermutter und Grab -
mit ebenso liebevollem wie eindeutig erklärendem Text
könnten sehr hilfreich sein. Der Gedanke gefällt mir.

Was aber, wenn die beschrifteten Fotos immer wieder
neues Entsetzen, Verzweiflung und überwältigende Verlustgefühle auslösen?

Wenn mein Mann ein wenig Abstand gewonnen hat,
werde ich mit ihm darüber sprechen.
Als Sohn hat er seinem Vater gegenüber viel zwiespältigere Gefühle als ich
und braucht nach Kontakten stets eine angemessene Auszeit.

Danke für Eure hilfreichen Beiträge!
Liebe Grüße
Stella

Stella schrieb:

Was aber, wenn die beschrifteten Fotos immer wieder
neues Entsetzen, Verzweiflung und überwältigende Verlustgefühle auslösen?

Genau das meinte Biggi mit ihrem Beitrag... es ist alles wie ein zweischneidiges Schwert.
Im Grunde kannst du nur danach entscheiden, ob dein Schwiegervater "weniger" an seine Frau denkt,
wenn alles, was an sie erinnert, aus seinem Umfeld verschwindet oder ob er weiterhin so "jovial" und locker
mit der täglichen Todesinfo umgehen wird.
Es ist echt ein Seilakt und wahrscheinlich keine auf Dauer angelegte Entscheidung.

Vielleicht einfach mal ausprobieren? In dem Sinne.... es geht ja eh im Gedächtnis irgendwann verloren?!

Bzw. finde ich die Idee von Biggi auch sehr sinnig mit dem sagen, du, sie ist doch noch unterwegs usw.

Ich finde es unheimlich schwierig, bei so Wiederholungsfragen cool zu bleiben, obwohl wir rein rational wissen,
sie können nicht anders. Vielleicht üben du und dein Mann das mal im Rollenspiel.... bis es quasi wie von selbst aus euch ruhig und gelassen herausflutscht?

Oh Mann, ich wünsche euch gute Nerven und Ideen!
LG
Jelly

Liebe Jelly, sowas kann man in keinem Rollenspiel lernen. Wie kaum was bei Demenz. Es triftt einen, und man muss sich schnell was überlegen. Quasi aus dem Bauch heraus.

Als es bei uns anfing, waren wir auch überfordert. Aber es musste eine für alle akzeptable Lösung her. Bei uns hat sie gefunzt, weil Mutter das in dem Moment geschluckt hat.

Wir hatten daher Glück, diese Phase zu überwinden.

LG Biggi

Liebe Birgit,

da bin ich anderer Meinung: Gerade weil die Fragen momentan bei ihm gleichbleibend sind,
kann man sehr gut Antworten einüben und sich Varianten überlegen. Aber das ist auch nicht jedermanns Sache, klar.

LG
Jelly